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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0083
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Platonismus und Mystik im Altertum. 79
nicht Körper, sondern sie ist ‘im’ Körper der Welt, als sein Ord-
nungsprinzip, als der Inbegriff seiner Maßverhältnisse. So ist
auch entsprechend die Einzelseele das zur Herrschaft in uns Be-
rufene, das Prinzip der Ordnung und des Maßes für uns, aber durch
den Körper verunreinigt, weshalb Erhebung zum Körperlosen,
Astralen, Verähnlichung mit den reinen Geistern als Vorbereitung
geboten ist, damit nach Seelenwanderung im Jenseits die Er-
lösung aus dem Rad der Geburten erfolge. -— Für Plotin ist die
Weltseele körperlose Substanz, Emanation des Nus; nicht sie ist
im Körper, sondern er in ihr, d. h. jeder Teil des Leibes ist von ihr
durchseelt und dadurch dem Zweck- und Herrschaftsprinzip unter-
stellt. So ist auch die Seele in uns unser immaterieller Teil, ente-
lechisch uns immanent wie der Zweck einem Instrument. Aber
sie ist gefallen, indem sie das Bewußtsein ihres Zweckes verloren
hat, wie eine Axt, die nur noch als Eisen, aber nicht mehr als
Werkzeug besteht. Wollte die Stoa durch ‘Heilung’ der Seele
die Freimachung des Logos im Diesseits erreichen, wollte der
Pythagoreismus durch ‘Reinigung’ der Seele ihre Erlösung im
Jenseits vorbereiten, so kennt Plotin bereits im Diesseits die
‘Entrückung’ der Seele ins Jenseits.
Es ist bekannt, wie alle drei Richtungen für ihre Dogmen
sowohl über die Weltseele als auch über die Einzelseele Platoni-
sches Lehrgut zugrunde legten und es oft genug dem Buchstaben
nach auch durften, zumal wenn sie literarisch die Form der Timaios-
exegese wählten, ohne dabei methodisch das Problem der Mytho-
poiie zu berücksichtigen. Die philosophiegeschichtliche Kluft
zwischen Platon und seinen Nachfolgern wird erst dann ganz
sichtbar, wenn man nicht auf die isolierten Lehrstücke, sondern
auf ihre Funktion im Ganzen der Systeme sieht. Platon begreift
das Seelische von der Wahrheit her: Die Seele ‘ist’, wofern sie
ein einheitliches Vermögen hat, um die Seinseinheiten der Wahr-
heit zu denken; die Späteren hingegen begreifen die Wahrheit
vom Seelischen her: die Wahrheit hat selbst seelische Natur.
Für Platon ist die Seele an sich Vernunft, d. h. Denkerwerb der
Methexis; für die Späteren ist die Seele an sich Substanz und zwar
die Weltsubstanz selber. Vor allem ist es die grundsätzlich unding-
liche und unsinnliche Denkform1 Platons und die dingliche, sinn-

1 Der Ausdruck soll bedeuten, daß sämtliche Problemstellungen Platons,
sobald sie systematischen Charakter annehmen, radikal auf den reinen Seins-
begriff basiert werden: Das Sein an sich, das Werden zum Sein, das Sein
 
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