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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0123
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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können, durch symbolisches Schriftverständnis zum Wissen um die
Welt, um unsere Bestimmung in ihr und damit zu unserer Frei-
heit* 1 zu gelangen. Wie der Bildnergott desTimaios und der Schöpfer-
gott der Genesis verschieden sind, so muß in der geschichtlichen
Welt Augustins das Symbol des Idealen einen anderen Charakter
haben als in dem mathematischen Kosmos2 Platons; aber Augustins
*signum’ ist, problemgeschichtlich betrachtet, Umbildung von Pla-
tons gt)[W£ov, nach allen Kunstregeln der Doctrina christiana metho-
disch in die geschichtsphilosophische Dimension transformiert. Wo
Augustin im Tiefsten selber spekulativ ist, da begnügt sich seine
Bezeption antiker Philosophie nicht damit, alte Form mit neuem
Inhalt zu versehen, sondern er behandelt sie schöpferisch als bloßen
Stoff3, an dem eine ganz neue Form entwickelt werden muß. Augu-
stins Begriff des irdischen Jerusalem als 'Ideal5 hat für die Ge-
schichtsspekulation der Kirche die philosophische Hilfe geleistet,
um späterhin die Stadt der Päpste zur sichtbaren Roma aeterna
zu machen. Und wessen Auge hinreicht, noch heute im einzig-
artigen Antlitz dieser Stadt einen irdischen Abglanz ewigen Seins
zu empfinden, der darf sich sagen, daß, nachdem das antike Born
und seine Macht zerbrochen waren, im Born der apostolischen Tra-
dition zugleich ein Erbe Platonischen Ideenbegriffs in Augustini-
scher Umbildung gerettet wurde. Die Idee der Borna aeterna ist
von christlichen Architekten, welche ihre Kirchen auf antiken
Fundamenten errichteten, und von Städtebauern, die wie Sixtus V.
über Zeit und Zone hinausdachten, im Steine: selber sichtbar ge-
macht worden4.
Jesu als der Schlüssel der Zeichen, die Zeit Jesu als die Epoche der Ent-
hüllung, die Annahme seiner Zeichendeutung als der Beginn der Befreiung.
Yon ihr an ist Geschichte im Sinne freien Gehorsams gegen Gott möglich.
1 Die Erhebung vom Zeichen zur Bedeutung, vom Sinnträger zum Sinn
ist Befreiung: Signis subditi elevantur ad res . . . liberantur III, 8, 12. Der
Christ weiß, wem er dient: Talis homo spiritalis et liber III, 9, 13.
2 Auch Generatio, explicatio, emanatio können als Bilder des Ursprungs
fortan nur noch je in dem Grade verwendet werden, wie sie mit dem christlich
einzig wahren Symbol, der Creatio, vereinbar sind.
3 Nur wo es sich in christlicher Zeit um diese schöpferische Art der
Rezeption handelt, sollte man von "christlicher Philosophie’ sprechen; also
in der Zeit von Augustin bis Nikolaus von Cues. Und die verschiedenen Phasen
und Arten der Rezeption sollten maßgebend werden, um die tausendjährige
Epoche der christlichen Philosophie in Perioden zu gliedern.
4 Ygl. den ebenso tiefen wie schönen Aufsatz von F. Klingner, Rom als
Idee, Die Antike III, 1927, S. 17ff.
 
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