Die Bedeutung der Allmenden im neuen Deutschland.
5
stärksten für die Aufteilung der Allmenden ein1. Aber die Sozial-
demokratie in den dörflichen Gemeinderäten widersetzte sich ihr
einmütig und verhinderte zusammen mit den anderen Parteien eine
Allmendreform bis auf die Bestimmungen von §§ 85 u. 89, wonach
die Einzelgemeinde freiwillig die Allmend ändern, aufbeben, selbst
bewirtschaften oder verpachten kann, und des § 93, der wenigstens
in Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern, d. h. ausgesprochen
städtischem Charakter, den Einkauf in den Bürgernutzen verbot
und so wenigstens dort das langsame Verschwinden der Allmende
einleitete. Die alte Sonderregelung der Allmenden durch das sog.
Bürgerrechtsgesetz von 1831 wurde nicht, wie es erforderlich ge-
wesen wäre, erneuert: der dazu bestimmte Gesetzentwurf von 19232
ist nicht Gesetz geworden. Die Gründe dieses zähen Festhaltens
an der eigentlich dörflichen Allmende sind aber verschieden: Neben
dem Hang zum Althergebrachten, gerade auch wo es die Inter-
essen einzelner vor der Gesamtheit begünstigt, stand wenigstens
nach außen immer auch die sozialpolitische Berufung auf die Not-
wendigkeit, durch die Allmendnutzung gerade den klein- und zwerg-
bäuerlichen Wirtschaften eine unentbehrliche Stütze zu erhalten.
Mochte dagegen noch so oft die Fragwürdigkeit von Nutzungen
eingewandt werden, die in verwickelten Rangordnungen den Be-
rechtigten oft erst im höchsten Alter zuwuchsen und durch Speku-
lation auf den Tod von Vordermännern den Gemeinsinn, durch
schlechte Bewirtschaftung den Landbau und durch ,,Schollen-
kleberei“ die Unternehmungslust der Bauern schädigten, jede ein-
schneidende Reform erschien und erscheint noch heute vielfach als
ein gefährlicher Schritt auf der Bahn der Gleichmacherei, Ver-
städterung und ständischen Auflösung.
Ein endgültiger Ausweg aus diesen widerspruchsvollen Be-
urteilungen dürfte nur dann möglich sein, wenn in möglichst ge-
nauen statistischen, aber auch über das Statistisch-Mengenmäßige3
zum Qualitativen vordringenden Einzeluntersuchungen die ver-
hältnismäßige wirkliche Berechtigung der verschiedenen Gesichts-
1 Bergdolt, a. a. O,, 349ff.
2 E.Walz, Bürgerrecht und Bürgernutzen im badischen Recht (Heidel-
berg 1930), 122 ff.
3 Immerhin dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß die deutsche All-
mendfläche mit (1933) 0,75 Mill. ha noch immer die Hälfte des Landlieferungs-
solls der Großgüter unter dem Reichssiedlungsplatz ausmacht. M. Sering,
H. Niehaus, F. Schlömer: Deutsche Agrarpolitik (Lpz. 1934) 24.
5
stärksten für die Aufteilung der Allmenden ein1. Aber die Sozial-
demokratie in den dörflichen Gemeinderäten widersetzte sich ihr
einmütig und verhinderte zusammen mit den anderen Parteien eine
Allmendreform bis auf die Bestimmungen von §§ 85 u. 89, wonach
die Einzelgemeinde freiwillig die Allmend ändern, aufbeben, selbst
bewirtschaften oder verpachten kann, und des § 93, der wenigstens
in Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern, d. h. ausgesprochen
städtischem Charakter, den Einkauf in den Bürgernutzen verbot
und so wenigstens dort das langsame Verschwinden der Allmende
einleitete. Die alte Sonderregelung der Allmenden durch das sog.
Bürgerrechtsgesetz von 1831 wurde nicht, wie es erforderlich ge-
wesen wäre, erneuert: der dazu bestimmte Gesetzentwurf von 19232
ist nicht Gesetz geworden. Die Gründe dieses zähen Festhaltens
an der eigentlich dörflichen Allmende sind aber verschieden: Neben
dem Hang zum Althergebrachten, gerade auch wo es die Inter-
essen einzelner vor der Gesamtheit begünstigt, stand wenigstens
nach außen immer auch die sozialpolitische Berufung auf die Not-
wendigkeit, durch die Allmendnutzung gerade den klein- und zwerg-
bäuerlichen Wirtschaften eine unentbehrliche Stütze zu erhalten.
Mochte dagegen noch so oft die Fragwürdigkeit von Nutzungen
eingewandt werden, die in verwickelten Rangordnungen den Be-
rechtigten oft erst im höchsten Alter zuwuchsen und durch Speku-
lation auf den Tod von Vordermännern den Gemeinsinn, durch
schlechte Bewirtschaftung den Landbau und durch ,,Schollen-
kleberei“ die Unternehmungslust der Bauern schädigten, jede ein-
schneidende Reform erschien und erscheint noch heute vielfach als
ein gefährlicher Schritt auf der Bahn der Gleichmacherei, Ver-
städterung und ständischen Auflösung.
Ein endgültiger Ausweg aus diesen widerspruchsvollen Be-
urteilungen dürfte nur dann möglich sein, wenn in möglichst ge-
nauen statistischen, aber auch über das Statistisch-Mengenmäßige3
zum Qualitativen vordringenden Einzeluntersuchungen die ver-
hältnismäßige wirkliche Berechtigung der verschiedenen Gesichts-
1 Bergdolt, a. a. O,, 349ff.
2 E.Walz, Bürgerrecht und Bürgernutzen im badischen Recht (Heidel-
berg 1930), 122 ff.
3 Immerhin dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß die deutsche All-
mendfläche mit (1933) 0,75 Mill. ha noch immer die Hälfte des Landlieferungs-
solls der Großgüter unter dem Reichssiedlungsplatz ausmacht. M. Sering,
H. Niehaus, F. Schlömer: Deutsche Agrarpolitik (Lpz. 1934) 24.