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Arnold von Salis:
tritt dann bald eine zweite, nur durch wenige Exemplare zu be-
legen: der Wagen mit dem Lenker steht ruhig da, daneben auf der
Erde Achill, der sich hohnvoll zu dem auf dem Rücken liegenden
Toten niederbeugt, oder aber von ihm weg zu dem in der Höhe
schwebenden Eidolon des Freundes aufblickt1.
Nun verschafft uns die Betrachtung von Hektors Schleifung
auf den attischen Vasenbildern, die zweifellos einen damals beson-
ders geschätzten Stoff behandeln, zugleich aber auch Einblick in die
Leidensgeschichte eines antiken Sagenmotivs. Kommt es doch
selbst in dieser scheinbar geschlossenen, durch feste bildlicheTradi-
tion gefügten Reihe vor, daß der Leichnam des Helden in Wegfall
gerät. So auf einer Amphora in Berlin, wo nur der Hügel mit der
Seelenschlange und das gewappnete Eidolon darüber beweisen, daß
wir einen Ausschnitt aus der hier in Frage stehenden Komposition
vor uns haben; desgleichen auf einer Lekythos im British Museum2.
In beiden Fällen dürften Raummangel oder Nachlässigkeit die Ver-
stümmelung verursacht haben.
Wir stellen also fest, daß der Künstler der Stele von Fano sich
in ganz guter Gesellschaft befindet, wenn er einen wesentlichen Be-
standteil seines Bildvorwurfs unterschlägt. Der unter dem Wagen
liegende Speer ließe sich nicht als Beweis gegen unsere Deutung
anführen. Auf einer sicheren Darstellung von Hektors Schleifung3
sieht man unter den rennenden Pferden einen gestürzten Krieger;
er sucht sich mit dem Schild vor dem ihm drohenden Unheil zu
schützen, gleich einem Perser auf dem Alexandermosaik, obwohl
unsere Szene von der Wahlstatt entfernt zu denken ist. Im Grunde
1 Gruppe B bei Bulas 19 Nr. 1, m, n. Abb. 10, 11. Ferner die Lekythos
Explor. de Delos X Yases de l’Heraion 170 Nr. 546 Tat. 40. 68; XI Mont
Cynthe 174 Abb. 142; Eos a. O. 245 Nr. 1; Johansen Abb. 20.
2 Berlin (Furtwängler 1867. Neugebauer, Führer S. 45; Gerhard,
AV. 198, 3 (versteht das Bild III 101 ff. als „Leichenfeier des Patroklos“, wäh-
rend es nach Overbeck, Bildwerke 458 „am allereinfachsten so zu erklären
sein wird, daß Hektors Leichnam vergessen oder ausgelassen ist, wie Ähnliches
mehrfach auf Vasen vorkommt“); Roscher, Omphalosstudien 89 Taf. 7, 3;
Bulas g.
Brit. Mus. Catal. IIΒ 543. Bulas h. Schneider, Tro. Sagenkreis 31
Anm. 1: „Gewiß ist auch hier an unseren Typus zu denken, nur ist er ganz un-
verstanden, verkürzt und verwischt“.
3 sf. Lekythos, ehemals Samml. Hope: W. Lamb, JHS. 38, 1918, 27ff.
Abb. 1, 2; Tillyard, The Hope Vases 38 Nr. 32 Taf. 4; Bulas, Iliade 18 d Bei-
lage S. 14 Abb. 8 (wiederholt als Schlußvignette S. 54); derselbe, Eos a. O.
246 Nr. 2; Johansen, Iliaden B 18c Abb. 24.
Arnold von Salis:
tritt dann bald eine zweite, nur durch wenige Exemplare zu be-
legen: der Wagen mit dem Lenker steht ruhig da, daneben auf der
Erde Achill, der sich hohnvoll zu dem auf dem Rücken liegenden
Toten niederbeugt, oder aber von ihm weg zu dem in der Höhe
schwebenden Eidolon des Freundes aufblickt1.
Nun verschafft uns die Betrachtung von Hektors Schleifung
auf den attischen Vasenbildern, die zweifellos einen damals beson-
ders geschätzten Stoff behandeln, zugleich aber auch Einblick in die
Leidensgeschichte eines antiken Sagenmotivs. Kommt es doch
selbst in dieser scheinbar geschlossenen, durch feste bildlicheTradi-
tion gefügten Reihe vor, daß der Leichnam des Helden in Wegfall
gerät. So auf einer Amphora in Berlin, wo nur der Hügel mit der
Seelenschlange und das gewappnete Eidolon darüber beweisen, daß
wir einen Ausschnitt aus der hier in Frage stehenden Komposition
vor uns haben; desgleichen auf einer Lekythos im British Museum2.
In beiden Fällen dürften Raummangel oder Nachlässigkeit die Ver-
stümmelung verursacht haben.
Wir stellen also fest, daß der Künstler der Stele von Fano sich
in ganz guter Gesellschaft befindet, wenn er einen wesentlichen Be-
standteil seines Bildvorwurfs unterschlägt. Der unter dem Wagen
liegende Speer ließe sich nicht als Beweis gegen unsere Deutung
anführen. Auf einer sicheren Darstellung von Hektors Schleifung3
sieht man unter den rennenden Pferden einen gestürzten Krieger;
er sucht sich mit dem Schild vor dem ihm drohenden Unheil zu
schützen, gleich einem Perser auf dem Alexandermosaik, obwohl
unsere Szene von der Wahlstatt entfernt zu denken ist. Im Grunde
1 Gruppe B bei Bulas 19 Nr. 1, m, n. Abb. 10, 11. Ferner die Lekythos
Explor. de Delos X Yases de l’Heraion 170 Nr. 546 Tat. 40. 68; XI Mont
Cynthe 174 Abb. 142; Eos a. O. 245 Nr. 1; Johansen Abb. 20.
2 Berlin (Furtwängler 1867. Neugebauer, Führer S. 45; Gerhard,
AV. 198, 3 (versteht das Bild III 101 ff. als „Leichenfeier des Patroklos“, wäh-
rend es nach Overbeck, Bildwerke 458 „am allereinfachsten so zu erklären
sein wird, daß Hektors Leichnam vergessen oder ausgelassen ist, wie Ähnliches
mehrfach auf Vasen vorkommt“); Roscher, Omphalosstudien 89 Taf. 7, 3;
Bulas g.
Brit. Mus. Catal. IIΒ 543. Bulas h. Schneider, Tro. Sagenkreis 31
Anm. 1: „Gewiß ist auch hier an unseren Typus zu denken, nur ist er ganz un-
verstanden, verkürzt und verwischt“.
3 sf. Lekythos, ehemals Samml. Hope: W. Lamb, JHS. 38, 1918, 27ff.
Abb. 1, 2; Tillyard, The Hope Vases 38 Nr. 32 Taf. 4; Bulas, Iliade 18 d Bei-
lage S. 14 Abb. 8 (wiederholt als Schlußvignette S. 54); derselbe, Eos a. O.
246 Nr. 2; Johansen, Iliaden B 18c Abb. 24.