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Winkler, Emil; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 1. Abhandlung): Zur Geschichte des Begriffs "Comédie" in Frankreich — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41993#0011
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Moliere war kaum ein Jahr tot, als Boileau in seinem Art
poetique seine berühmte Kritik an ihm übte: MoliEre
Peut-etre de son art eüt remporte le prix,
Si, moins ami du peuple, en ses doctes peintures
11 rdeüt point fait souvent grimacer ses figures,
Quitte, pour le bouffon, Vagreable et le fin,
Et saus honte ä Terence allie Tabarin . .
(3. Gesang, Vers394ff.)
Vielleicht, so meint Boileau, hätte Moliere die Siegespalme
seiner Kunst errungen, wenn er, weniger volkstümlich, sich nicht
um des Ausgelassenen willen so häufig vom Gemessenen und Ge-
wählten entfernt hätte. Mit andern Worten: wenn nicht einige
seiner Stücke so derb aufs Lachen gestellt wären. Boileau weist im
folgenden nochmals auf Terenz hin:
Jamais de la nature il ne faut s'ecarter:
Contemplez de quel air, un pere, dans Terence,
Vient ddun fils amoureux gourmander Vimprudence . . .
(Ebendort, Vers415ff.)
Fünfzig Zeilen früher hatte Boileau an Menander gerühmt,
dieser habe die Komik des griechischen Lustspiels verfeinert, dem
Lachen die Bitterkeit genommen:
La comedie a.pprit d rire sans aigreur;
Sans jiel et sans venin sut instruire et reprendre;
Et plut innocemment dans les vers de Menandre.
(Ebendort, Vers350ff.)
Jetzt aber, wo Boileau, den Terenz vor Augen, seinen dichten-
den Zeitgenossen das Komische umreißt, verwendet er das Wort
rire überhaupt nicht mehr. Die Personen des Lustspiels sollen bloß
vornehm tändeln, badiner noblement, plaisanter, divertir.
Es gibt kaum einen neueren Literaturkritiker, der gegen
Boileau nicht die Partei Molieres ergriffe. Boileau, so kann man
etwa lesen1, erkannte nicht, daß die lebendige, unerschöpfliche
Quelle, an der die Komödie, jede Komödie, auch die vornehmste,
1 G. Lanson, Histoire de la litterature frangaise, 12. Aufl., S. 505.
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