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Emil Winkler:
In Frankreich kann man bereits bei Rabelais (Buch IV, Kap.12)
einen Anklang der erneuerten Bedeutung des Wortes Comedie fest-
stellen. Tragicque comedie meint (zum Unterschied vcn vorhin) auf
einmal die Hiebe, die der Chiquanous unter dem Lachen seiner
Exekutoren erhalten soll: Tappez, daubez, frappez, je vous en prie
(sagte nach dem Bericht des Panurge der seigneur de Basche zu
seinen Leuten). Donnez luy (dem Chiquanous) coups saus compter ä
tors et ä travers. Celluy qui mieux le daubera, je recongnoistray pour
mieulx affectionne. Avayez paour d’en estre reprins en justice. Je
feray guarant pour tous. Telz coups seront donnez en riant, selon
la coustume observee en toutes fia?isailles». Sobald der Chiquanous
eingetreten sein wird, wird das Prügeln angehen: «Le portier
Vayant introcluit courtoisement sonnera la campanelle. Allors soyez
prestz, et venez en solle jouer la Tragicque comedie, que vous
ay expouse1.» Daß sich Rabelais, dem Humanisten mit der
heiteren Phantasie, dem Kenner aber auch volkstümlicher Dich-
tung, für die Sphäre des Lachens, aus der das Prügelmotiv er-
sichtlich stammt, der Name Comedie auf drängte, braucht nicht
wunderzunehmen. Aber der Ausdruck war, zumal in Verbindung
mit tragicque, in solcher Bedeutung fremdartig. In der Briefve
declaration diaucunes dictions plus obscures contenues ou quatriestne
livre (des Gargantua-Pantagruel) muß er ausdrücklich erklärt wer-
den: « Tragicque Comoedie, farce plaisante au commencement, triste
en la fin2.»
Als aber das italienische Berufsschauspielertum in Frankreich
bekannt wurde, prägte es den Franzosen vor allem eine bestimmte
Histrionen-Vorstellung ein, die lange nachwirkte, besonders als
Theologeneifer sie vergiftete. Comediant, wie es nach it. comt?ie-
diante zuerst hieß, war bald ein wenig schmeichelndes Wort. Pre-
lats, Evesques et autres Comedians de la farce catholique Bomaine,
schreibt der Brüsseler Pn. de Mark ix (1538-—15983).
Doch kehren wir zur dramatischen Theorie und Dichtung selbst
zurück. Die Auseinandersetzung zwischen mittelalterlicher französi-
scher Farce und der Theorie der Komödie begann in Frankreich,wenn
ich nichts übersehe, mit Thomas Sebillet, hart vor der Mitte des
1 Les QEuvres de Rabelais, ed. Marty-Laveaux, Bd. II, S. 312, 313.
Huguet, a. a. O.
2 Les (Euvres de Rabelais, ed. Marty-Laveaux, Bd. III, S. 199.
3 Huguet, a. a. O., s. v. comedien\ ebend. weitere Belege.
Emil Winkler:
In Frankreich kann man bereits bei Rabelais (Buch IV, Kap.12)
einen Anklang der erneuerten Bedeutung des Wortes Comedie fest-
stellen. Tragicque comedie meint (zum Unterschied vcn vorhin) auf
einmal die Hiebe, die der Chiquanous unter dem Lachen seiner
Exekutoren erhalten soll: Tappez, daubez, frappez, je vous en prie
(sagte nach dem Bericht des Panurge der seigneur de Basche zu
seinen Leuten). Donnez luy (dem Chiquanous) coups saus compter ä
tors et ä travers. Celluy qui mieux le daubera, je recongnoistray pour
mieulx affectionne. Avayez paour d’en estre reprins en justice. Je
feray guarant pour tous. Telz coups seront donnez en riant, selon
la coustume observee en toutes fia?isailles». Sobald der Chiquanous
eingetreten sein wird, wird das Prügeln angehen: «Le portier
Vayant introcluit courtoisement sonnera la campanelle. Allors soyez
prestz, et venez en solle jouer la Tragicque comedie, que vous
ay expouse1.» Daß sich Rabelais, dem Humanisten mit der
heiteren Phantasie, dem Kenner aber auch volkstümlicher Dich-
tung, für die Sphäre des Lachens, aus der das Prügelmotiv er-
sichtlich stammt, der Name Comedie auf drängte, braucht nicht
wunderzunehmen. Aber der Ausdruck war, zumal in Verbindung
mit tragicque, in solcher Bedeutung fremdartig. In der Briefve
declaration diaucunes dictions plus obscures contenues ou quatriestne
livre (des Gargantua-Pantagruel) muß er ausdrücklich erklärt wer-
den: « Tragicque Comoedie, farce plaisante au commencement, triste
en la fin2.»
Als aber das italienische Berufsschauspielertum in Frankreich
bekannt wurde, prägte es den Franzosen vor allem eine bestimmte
Histrionen-Vorstellung ein, die lange nachwirkte, besonders als
Theologeneifer sie vergiftete. Comediant, wie es nach it. comt?ie-
diante zuerst hieß, war bald ein wenig schmeichelndes Wort. Pre-
lats, Evesques et autres Comedians de la farce catholique Bomaine,
schreibt der Brüsseler Pn. de Mark ix (1538-—15983).
Doch kehren wir zur dramatischen Theorie und Dichtung selbst
zurück. Die Auseinandersetzung zwischen mittelalterlicher französi-
scher Farce und der Theorie der Komödie begann in Frankreich,wenn
ich nichts übersehe, mit Thomas Sebillet, hart vor der Mitte des
1 Les QEuvres de Rabelais, ed. Marty-Laveaux, Bd. II, S. 312, 313.
Huguet, a. a. O.
2 Les (Euvres de Rabelais, ed. Marty-Laveaux, Bd. III, S. 199.
3 Huguet, a. a. O., s. v. comedien\ ebend. weitere Belege.