Zur Geschichte des Begriffs „Comedie“ in Frankreich.
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sehr in Mitleidenschaft gezogen war, daß der Untergang ihn be-
drohte, als das Possenspie 1 selbst in Verruf geriet1.
Da gab ein junger Dichter der Entwicklung des Begriffs einen
neuen Anstoß. Er schuf, vielleicht aus persönlichem Erleben, ein
Bühnenspiel neuer Gattung, ebenso weit entfernt von der alten Farce
wie den Vorschriften einer in Jahrhunderten erstarrten Theorie.
Seiner Feder entfloß ein gepflegtes Salonstück mit zarter Liebes-
verwicklung und lächelnder lebenswahrer Heiterkeit. Der Dichter
war Pierre Corneille, das Stück seine Melite von 1629/302. Der
Name Comedie war kompromittierend. Daher wohl bezeichnete
Corneille sein Stück in der Erstausgabe von 1633 als piece comi-
que. Erst später nannte er es kurzweg Comedie. Worin die Glück-
haftigkeit seines Stückes bestand, hat Corneille selbst mehrfach
angegeben. 1633 oder 1634 in einem lateinischen Gedicht:
Ad scenam teueros deducere gaudet amores
Et vetus insuetis drama novare jocis . . .3
,,Er (Corneille) liebt es auf die Bühne zarte Liebesgeschichten
zu bringen und die alte dramatische Dichtung durch ungewohnte
Kurzweil zu erneuern.“ Viel deutlicher dann 30 Jahre später im
Rückblick auf den gewaltigen Erfolg des Stückes: «La nouveaute
de ce genre de comedie, clont il n’y a point d'exemple en aucune langue,
et le style naif qui faisoit une peinture de la conversation des honnetes
gens, furent sans doute cause de ce bonheur surprenant, qui fit alors
taut de bruit. On n'avoit jarnais vu jusque lä que la Comedie fit rire
saus personnages ridicules (d. h. ohne die stehenden Possenfiguren)
tels que les valets bouffons, les parasites, les capitans, les docteurs etc.
Celle-ci faisoit son eff et par Vhumeur enjouee de gens d^une condition
ciu-dessus de ceux qu’on voit dans les comedies de Plante et de Terence,
qui n’etoient que des marchands . .4».
Das ist, wie die letzten Worte deutlich zeigen, im Vergleich
mit der antiken oder der Renaissancekomödie gesehen. Aber ge-
rade diese war ja in jenen Jahren fast verschwunden. Daher ist
1 Die Komödiendichtung bleibt auch später noch hinter der Tragödie
und der Tragikomödie zurück; s. Rivaille, a. a. O., S. 768/69.
2 Zur Datierung des Stückes s. Rivaille, a. a. O., S. 19/20.
3 P. Corneille, Excusatio (CEuvres de Corneille, Ausgabe Marty-
Laveaux, X, S. 66).
4 CEuvres de Corneille, Ausgabe Mart.y-Laveaux, Bd. I, S. 138; vgl.
ebendort S. 29.
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sehr in Mitleidenschaft gezogen war, daß der Untergang ihn be-
drohte, als das Possenspie 1 selbst in Verruf geriet1.
Da gab ein junger Dichter der Entwicklung des Begriffs einen
neuen Anstoß. Er schuf, vielleicht aus persönlichem Erleben, ein
Bühnenspiel neuer Gattung, ebenso weit entfernt von der alten Farce
wie den Vorschriften einer in Jahrhunderten erstarrten Theorie.
Seiner Feder entfloß ein gepflegtes Salonstück mit zarter Liebes-
verwicklung und lächelnder lebenswahrer Heiterkeit. Der Dichter
war Pierre Corneille, das Stück seine Melite von 1629/302. Der
Name Comedie war kompromittierend. Daher wohl bezeichnete
Corneille sein Stück in der Erstausgabe von 1633 als piece comi-
que. Erst später nannte er es kurzweg Comedie. Worin die Glück-
haftigkeit seines Stückes bestand, hat Corneille selbst mehrfach
angegeben. 1633 oder 1634 in einem lateinischen Gedicht:
Ad scenam teueros deducere gaudet amores
Et vetus insuetis drama novare jocis . . .3
,,Er (Corneille) liebt es auf die Bühne zarte Liebesgeschichten
zu bringen und die alte dramatische Dichtung durch ungewohnte
Kurzweil zu erneuern.“ Viel deutlicher dann 30 Jahre später im
Rückblick auf den gewaltigen Erfolg des Stückes: «La nouveaute
de ce genre de comedie, clont il n’y a point d'exemple en aucune langue,
et le style naif qui faisoit une peinture de la conversation des honnetes
gens, furent sans doute cause de ce bonheur surprenant, qui fit alors
taut de bruit. On n'avoit jarnais vu jusque lä que la Comedie fit rire
saus personnages ridicules (d. h. ohne die stehenden Possenfiguren)
tels que les valets bouffons, les parasites, les capitans, les docteurs etc.
Celle-ci faisoit son eff et par Vhumeur enjouee de gens d^une condition
ciu-dessus de ceux qu’on voit dans les comedies de Plante et de Terence,
qui n’etoient que des marchands . .4».
Das ist, wie die letzten Worte deutlich zeigen, im Vergleich
mit der antiken oder der Renaissancekomödie gesehen. Aber ge-
rade diese war ja in jenen Jahren fast verschwunden. Daher ist
1 Die Komödiendichtung bleibt auch später noch hinter der Tragödie
und der Tragikomödie zurück; s. Rivaille, a. a. O., S. 768/69.
2 Zur Datierung des Stückes s. Rivaille, a. a. O., S. 19/20.
3 P. Corneille, Excusatio (CEuvres de Corneille, Ausgabe Marty-
Laveaux, X, S. 66).
4 CEuvres de Corneille, Ausgabe Mart.y-Laveaux, Bd. I, S. 138; vgl.
ebendort S. 29.