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Winkler, Emil; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 1. Abhandlung): Zur Geschichte des Begriffs "Comédie" in Frankreich — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41993#0030
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22

Emil Winkler:

sam. Comedie ist in Frankreich, wie schon die Belege bei Nicole
Oresme, Guillaume Borchet, Rabelais voraussehen ließen und
wie das Zwischenspiel der Renaissance-Komödie nicht zu verhin-
dern vermochte, mehr als ein bloßes Lustspiel. Sie ist (wie nur
aus der theoretischen Begriffstradition erklärlich, die ihrerseits von
tieferen Strebungen getragen war) das Theaterspiel, die drama-
tische Dichtung schlechtweg. Sie ist das Theater — mag in ihr das
Lachen immer neu seine Ansprüche anmelden. Die Belege für
die allgemeine Bedeutung des Wortes Comedie sind im 17. Jahr-
hundert zahllos. Weil z. B. Frau von Sevigne schreibt: Racine
a. fait une comedie qui s’appelle Bajazetx, wird niemand das Stück
Racines etwa gar für ein Lustspiel halten wollen1 2. Aber es ist
überflüssig, die Beispiele zu häufen. Denn im Jahre 1667 schreibt
der Prinz von Conti in seiner Abhandlung gegen das Theater aus-
drücklich: Je ne pretends pas en parlant de la Comedie traiter seule-
ment de cette Sorte de poeme qui a premierement (Conti denkt wohl
an die Antike oder an das Renaissancelustspiel) et plus proprement
porte ce nom par VInstitution des hommes; mais comme ce nom d’une
espece particuliere est devenu en France un nom general qui convient
d toutes les pieces de theätre, soit qu’elles soient effectivement des Come-
dies, soit aussi que ce soient des tragedies ou des tragicomedies; Cest
sous ce nom que j’ay pretendu examiner toutes sortes de poemes drama-
tiques et en general, par ce qFils ont de comman, et en particulier,
par ce qui fait leurs especes differentes3.
Dann aber spricht Conti von der Komödie im engeren Sinne.
Die überkommene Vorstellung vom niederen Stand der handelnden
1 Dictionnaire general s. v. Comedie.
2 Racines ,,Mithridate“ allerdings ist diesem Schicksal nicht entgangen;
hat man in dem Stücke doch erst kürzlich „lustspielmäßige Atmosphäre“ ge-
wittert und es zur „Lieblingskomödie“, soll heißen zum „Lieblingslustspiel“
Ludwigs XIV. erklärt, weil im Journal von Dangeau die „überaus bezeich-
nende“ Eintragung stehe: Le soir il y eut comedie frangoise; le roi y vint, et
Von choisit Mithridate, parce que c'est la comedie qui lui plait le plus. S. Archiv
L d. Stud. d. neueren Spr. u. Lit., Bd. 169, S. 209. — Die „überaus bezeich-
nende“ Eintragung besteht in nichts als einer alltäglich-selbstverständlichen
Verwendung des Wortes comedie.
3 Armand de Bourbon, prince de Conti, Trait6 de la Comedie et des
spectacles, neue Ausgabe von Vollmöller, Heilbronn 1881, S. 9. — Übrigens
heißt es auch im Wörterbuch der franz. Akademie Ausgabe 1694: (Comedie)
se prend gdneralement pour toutes sortes de piece de tMätre, comme sont. la tragedie,
la tragicomedie et la, pastorale. (S. Edm. Huguet, Petit glossaire des classiques
frangais du 17e siede,Paris 1907 ; dort auch eine parallele Stelle aus Lafontaine.)
 
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