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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0010
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10

Walther Köhler:

man darf hier von einer allgemeinen religionsgeschichtiichen Vor-
stellung sprechen, die von den Primitiven bis zur Gegenwart läuft21.
Wenn Mechthild von Magdeburg vom „fließenden Licht der Gott-
heit“ spricht, oder Geibel sagt: „Fasse die Hand von oben im
Gebet und die Berührung durchströmt Dich mit göttlicher
Kraft“, so lebt hier uraltes religiöses Gut. Wie es dem Wesen reli-
giöser Bindung entspricht, „verströmt“ die göttliche Kraft nicht,
sondern strömt auf einen Empfänger über, der sowohl eine Person
als eine Sache sein kann. Der Empfänger wird dann Kraftträger,
der seinerseits oft wieder auf diesem oder jenem Wege Kraft „auszu-
strömen “vermag. Das kann zu einer regelrechten Kraft-Kette wer-
den, und in so und so vielen Fällen geht die Kraft buchstäblich
„durch der Hände lange Kette“ -— z. B. in der sakramentalen Ordi-
nation22. Man pflegt nach dem Vorgänge von F. Pfister die strö-
mende göttliche Kraft Orenda zu nennen (der Name stammt von
dem Indianerstamm der Irokesen). Nach ägyptischer Vorstellung
läßt der Sonnengott die in unendlicher Fülle in seinem Inneren
aufgespeicherte Lebenskraft aus sich herausfließen, wie aus einem
Behälter; dieser Kraftstrom ist das eigene lebendige Ich des Sonnen-
gottes, er fließt über seine Arme und Hände, um von da in die
Lebewesen einzuströmen durch Berührung23. Es gab eine beson-
dere ägyptische Gottheit der Gotteskraft, von der wiederholt ge-
sagt wird, daß sie „flutet“ wie das Wasser24, aber allen ägyptischen
Göttern wohnt ein geheimnisvolles Fluidum ein25. Der nächste
Träger der göttlichen Kraft nach der Gottheit ist der König; er
21 F. Pfister (Phil. Wochenschr. 1926, 283) sieht hier „die ursprüng-
liche Gottesvorstellung“. Vgl. ib. 1920, 646ff. 0. Weinreich: Antikes Gott-
menschentum (N. J. kl. A. 1926, 635): „Jene durch Mana, Wakanda, Orenda
oder Manitu bezeichneten Kräfte kann man sich aneignen, sie strahlen wie
ein Fluidum von ihrem Besitzer aus, können auch auf andere übergeleitet,
vererbt werden“.
22 aber nicht nur hier. Vgl. F. Pfister in Phil. Wochenschr. 1921, 396
die Idee der vererbten Sövag^bei Kultusbeamten und die Formel παραδιδόνοα
■τήν δύναμιν.
23 F. Preisigke: „Vom göttlichen Fluidum nach ägypt. Anschauung“,
1920, 2.
24 Ib. 3, Anm. 1. Vgl. auch A. .Parrot: „Le ‘RefrigeriunV dans Fau-
de-Iä, 1937.
26 G. Maspero: „Etudes de mythologie et d’archeologie egyptiennes“ I,
1893, 307: les dieux avaient ä leur disposition des forces de diveise nature,
darunter une Sorte d’espiit, de fluide.; cette vertu se trausmettait par
Pimposition des nrains.
 
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