Metadaten

Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0135
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 125

41 C.C. I IV 697, 698, V 699; Ep. I 826; VII 858/59.
"Eigentliche Kirche’ meint den Grundgehalt des Christentums über-
haupt, die Ordnung der Welt per ipsum et cum ipso et in ipso (Christo) auf
den allmächtigen Yatergott zu. Solche Anschauungen von Kirche im wesent-
lichen Sinne gehen von Anfang an (Paulus-Briefe, Joh. Evang.) durch alle
Jahrhunderte. Nur war gerade in der mittelalterlichen Kirche und ihrer
autoritativen Betonung der Amtshierarchie, ihrer Macht und Aufgabe, solche
Gedankenführung, wenngleich immer wieder auch von großen anerkannten
kirchlichen Lehrern vertreten und weitergebaut, im allgemeinen kirchlichen
Leben mehr begleitender Unterstrom gewesen. Umso leichter kamen die
Kreise, die auf dies Wesentliche des Christentums sich vor allem oder allein
stützen und berufen wollten, in Gefahr und in Neigung, 'Ketzer’ zu werden,
lind wenn gerade die deutsche Mystik in ihren Führern Eckehart und Tauler
solche und ähnliche Anschauungen nicht nur als wirklichsten Ernst und als
ernsteste Wirklichkeit zugrundelegte, sondern auch — unter gewisser 'Ver-
nachlässigung’ der mit der Amtshierarchie zusammenhängenden und sonstiger
'kirchlicher’ Forderungen — ihre Bedeutung für das praktische Alltagsleben
des Christen in voller Gewichtigkeit nahezubringen versuchten, so sehen wir
auch bei ihnen die Gefahr des Mißverstandenwerdens von der kirchlichen Obrig-
keit wie von der Masse des Volkes. Wenn aber Cusanus als Dekan sowohl
wie als Bischof und Kardinal, im Konzil, auf der Kanzel und gegenüber den
Hussiten diese Sprache spricht, so ist das Große und eigentlich Fruchtbare
- wenn sowohl in der Hierarchie wie im Volk überhaupt Resonnanz dafür
wäre —, daß ein lebendiger deutscher Geist und ein Mann in hervorragender
hierarchischer Stellung diese Wirklichkeit klar und schlicht hinstellt und sich
in wesentlicher Grundhaltung seines ganzen Lebens dafür einsetzt.

III. Ecclesia coniecturalis.
42 C.C. I IV 696, 97/98, V 698, 99; Ep. I 826.
43 C.C. 1 V 698, VI 701, X 704, XI 705, XIII 706, XIV 706, 07;
11 1 711, XIII 726, XVIII 738, 39, XXXIV 770/71; Ep. 1 827; aus P.F.
z. B. I (besonders), II, III, XVIII.
Für P.F. ist zu bedenken, daß es sich um eine Schrift handelt, die in
leidvollem Ergriffensein von dem Elend in der Christenheit, hier von außen
und von innen verursacht, dem 'Schwertwüten und Blutströmen des Hasses’
— es war die Zeit der Türkenkriege, kurz nach dem Fall Konstantinopels —
in fast visionär beschwörendem Flehen vor Gott erstand. Diese Schrift ist
ein Vorschlag, ein Versuch, ziemlich kurz und großzügig umrissen, der gern
zu einer religiösen Verständigung und Befriedung beigetragen hätte. Stets
werden die christlichen Grundlehren als jenes geistige Lebensgebiet betrachtet,
mittels dessen und in dem sich eine Verständigung, ein Ausgleich ermöglichen
ließe. Von diesem Boden aus ersteht die cusanische Gemeinschaftsschau der
Einheit in Vielheit. Nur ist vielleicht auch zu beachten, daß zu des Cusanus
Zeit das allgemeine katholische Empfinden weniger ängstlich war und zu sein
brauchte als hernach, da für so viele der Begriff 'katholisch’ (über die Erde
hin) zu einer Art konfessioneller Abgrenzung oder gar Gegenstellung einge-
schränkt wurde.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften