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Creutz, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 3. Abhandlung): Medizinisch-physikalisches Denken bei Nikolaus von Cues: und die ihm als "Glossae cardinalis" irrig zugeschriebenen medizinischen Handschriften — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41998#0007
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Cusanus-Studien: IV. Medizinisch-physikalisches Denken bei Nik. v. Cues. 7

Mit Notwendigkeit mußten solche Erwägungen Cusanus auf
das Gebiet der mittelalterlichen „materia medica“ führen, d. h.
der Arzneimittellehre, vor allem der „Simplicia“, der einfachen Mittel
aus der Pflanzenwelt. So kommt Cusanus zu der These, daß wenn
bei den Heilpflanzen die Wurzeln, Stengel, Blätter, Früchte,
und Säfte ihr bestimmtes Gewicht haben und wenn auch diese
Gewichte nach den Verschiedenheiten der Standorte der
Pflanzen wiederum in Tabellenform festgelegt würden, dem Arzte
auch diese empirischen Erkenntnisse viel besser zu Hilfe kämen,
als seine eigenen unsicheren Geschmacksprüfungen. Ebenso würde
der Arzt durch den Gewichtsvergleich von Heilpflanzen-Abkochun-
gen etwa oder Tinkturen mit dem Gewicht von Blut und Harn
und durch Trennung von indizierter und nicht indizierter Anwen-
dung des Arzneimittels zu einer exakteren Dosierung im einzelnen
Falle gelangen können, sowie folgerichtig zu einer gefestigteren
Prognostik. Denn zu dem Experimente der Wägung würde sich
das nunmehr gegebene Wissen hinzugesellen und zusammen siche-
rere Schlußfolgerungen gestatten.
Glaubst du nicht, so fragt Cusanus weiter, wenn du aus der
engen Öffnung der K’epsydra so lange Wasser in ein Becken tropfen
lässest, bis du bei einem gesunden Jünglinge hundert Pulsschläge
gezählt hast, und du den Versuch bei einem kranken Jüngling
wiederholest, daß hinsichtlich des Gewichtes des getropften Was-
sers Verschiedenheiten sich ergehen müssen ? Denn auf diesem Wege,
so sagt er, wird der Forscher, vom Gewichte der jeweiligen Wasser-
mengen ausgehend, zu einer der Wirklichkeit mehr entsprechenden
Erkenntnis der Pulszahlen bei Jüngling und Greis, bei Gesunden
und Kranken gelangen und wiederum zu einem vollkommeneren
Eindringen in das Wesen der Krankheiten, deren Beurteilung ihm
der Puls versuch und die Ergebnisse des Harngewichtes zusammen
besser erschließen werden, als es die übliche Betastung der Pulsader
allein und die unsicheren Farbenerscheinungen des Harns vermögen.
Wenn nun, so heißt es an anderer Stelle, der Arzt auch die
Prüfung der Atmungsfrequenz und der Atmungsbreite in den Be-
reich der Messungen mittels der Wasseruhr einbeziehen würde,
sollten sich dabei nicht auch exaktere Ergebnisse erzielen lassen ?
Denn wenn mit Hilfe der Wasseruhr systematisch bei Knaben und
Greisen je 100 Atemzüge gezählt würden, könnte niemals ein
gleiches Wassergewicht sich ergeben und ebenso wenig wenn der
Arzt die Versuche auf Gesunde und Kranke erstrecken würde.
 
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