LXXI. Ein kurcze 1er vnd auflegung (n. 5-—8).
101
Vater unser, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein
Name, zu uns komme dein Reich, dein Wille geschehe im Himmel
und auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem und
führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.
Amen“.
6. Auf daß nun die Worte dieses ehrwürdigen Gebetes ver-
standen und nach ihrer Bedeutung gelehrt werden können — wie-
wohl alle Lehrer, die je waren und je sein werden, den Sinn dieser
Worte mit menschlicher Einsicht auf keine Weise ganz ergründen
können — so müssen wir, von den heiligen Lehrern unterrichtet,
doch etwas von dem Sinn dieser Worte wissen, Gott zu Lob und
zum Heil unserer Seele.
Vater unser
7. Was ein Vater ist, findet man in der Natur: er ist ein An-
fang für andere Wesen, die aus ihm kommen oder fließen. Der
Sohn kommt aus dem Vater, der Zweig und die Frucht aus dem
Baum, das Wasser entspringt aus dem Quell, und so ist es überall.
Gott der Vater ist der eine Ursprung aller Wesen, die im Himmel
und auf Erden sind oder erdacht werden können. Er ist aus sich
allein, dreifältig der Person nach und doch nur eins. Aus dem Einen
kommt das Viele, und das Viele ist doch nur eins. Denn jede Zahl
hat in der Eins ihren Anfang und ihr Ende, und keine Zahl bleibt
dieselbe, wenn man eins wegnimmt.
8. Eins ist das Viele, das Viele ist aber nur eins: Gott der
Allmächtige ist eins, und alle Dinge gehen von ihm aus; so ist
er (zugleich) das Viele. Ebenso sind drei nur eins, und eins ist
drei. Das merkt auch also: eins, eins, eins. Das erste Wort ist
eins, das letzte Wort ist eins, das mittlere ist eins, und dennoch
sind die drei nur eins. Ist das etwa nicht wahr ? Es ist vor tausend
Jahren und immer wahr gewesen und ist auch in alle Ewigkeit
wahr. Der heilige Lehrer St. Augustin sagt: ,,Frage den Himmel,
nec ternarius est atque ita deinceps, quamvis omnia ea sit quae sunt ternarius,
quaternarius et reliqui numeri. Si species rerum ut numeri distinguuntur, ipsa
absoluta unitas nullius speciei est, nullius nominis, nulliusque figurae, quamvis
omnia sit in omnibus. II c. 1 (p 50 v): Omnia autem participatione unius id
sunt quod sunt. Ipsum vero, cuius participatio est omnium pariter et singu-
lorum esse, in omnibus et in quolibet suo quodam modo resplendet.
30. AUGUSTINUS Confessiones X c. 6 n.9, CSEL XXXIII 232, 12
bis 21. Vgl. De Doct. Ign. II c. 13, S. 113, 22ff.
101
Vater unser, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein
Name, zu uns komme dein Reich, dein Wille geschehe im Himmel
und auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem und
führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.
Amen“.
6. Auf daß nun die Worte dieses ehrwürdigen Gebetes ver-
standen und nach ihrer Bedeutung gelehrt werden können — wie-
wohl alle Lehrer, die je waren und je sein werden, den Sinn dieser
Worte mit menschlicher Einsicht auf keine Weise ganz ergründen
können — so müssen wir, von den heiligen Lehrern unterrichtet,
doch etwas von dem Sinn dieser Worte wissen, Gott zu Lob und
zum Heil unserer Seele.
Vater unser
7. Was ein Vater ist, findet man in der Natur: er ist ein An-
fang für andere Wesen, die aus ihm kommen oder fließen. Der
Sohn kommt aus dem Vater, der Zweig und die Frucht aus dem
Baum, das Wasser entspringt aus dem Quell, und so ist es überall.
Gott der Vater ist der eine Ursprung aller Wesen, die im Himmel
und auf Erden sind oder erdacht werden können. Er ist aus sich
allein, dreifältig der Person nach und doch nur eins. Aus dem Einen
kommt das Viele, und das Viele ist doch nur eins. Denn jede Zahl
hat in der Eins ihren Anfang und ihr Ende, und keine Zahl bleibt
dieselbe, wenn man eins wegnimmt.
8. Eins ist das Viele, das Viele ist aber nur eins: Gott der
Allmächtige ist eins, und alle Dinge gehen von ihm aus; so ist
er (zugleich) das Viele. Ebenso sind drei nur eins, und eins ist
drei. Das merkt auch also: eins, eins, eins. Das erste Wort ist
eins, das letzte Wort ist eins, das mittlere ist eins, und dennoch
sind die drei nur eins. Ist das etwa nicht wahr ? Es ist vor tausend
Jahren und immer wahr gewesen und ist auch in alle Ewigkeit
wahr. Der heilige Lehrer St. Augustin sagt: ,,Frage den Himmel,
nec ternarius est atque ita deinceps, quamvis omnia ea sit quae sunt ternarius,
quaternarius et reliqui numeri. Si species rerum ut numeri distinguuntur, ipsa
absoluta unitas nullius speciei est, nullius nominis, nulliusque figurae, quamvis
omnia sit in omnibus. II c. 1 (p 50 v): Omnia autem participatione unius id
sunt quod sunt. Ipsum vero, cuius participatio est omnium pariter et singu-
lorum esse, in omnibus et in quolibet suo quodam modo resplendet.
30. AUGUSTINUS Confessiones X c. 6 n.9, CSEL XXXIII 232, 12
bis 21. Vgl. De Doct. Ign. II c. 13, S. 113, 22ff.