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J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Für diese Datierung spricht nun auch ein psychologisches Mo-
ment, das man m. E. nicht unterschätzen darf: wie der erklärende
Apparat zeigt, weist die deutsche Vaterunser-Erklärung (Pr. XVIII)
so viele inhaltliche und formelle Parallelen zum dritten Buch von
,,De Docta Ignorantia“ auf, daß man beide Werke auch in einen
engen zeitlichen Zusammenhang bringen muß. Lägen sie ein Jahr
auseinander, so gäbe es sicher nicht so viele Übereinstimmungen
auch in Kleinigkeiten. Denn es ist ja gerade für Gusanus kenn-
zeichnend, daß er seine Gedanken immer wieder in neue Formen
kleidet und die Wiederholungen scheut.
2. „Ihefus in eyner allerdemuttich fter menfcheit“
(Pr. XVIII)
Das Wesentliche über die Datierung dieser Vaterunser-Erklä-
rung ist bereits gesagt; wir müssen es hier nur zusammenfassen
und begründen. Ausgangspunkt ist die Rubrik auf dem Vorsatz-
blatt von Glm. 18711 (T): „Sermo eiusdem super Dominica Ora-
tione Augustae factus et ad petitionem domini Episcopi ibidem
per eundem traditus in vulgari theutonico“. Da die Notiz
von gleichzeitiger Hand stammt und die Tegernseer Mönche in
enger persönlicher Verbindung mit Nicolaus standen, so verdient
sie Vertrauen. Sie sagt uns dreierlei: 1. Gusanus hat in Augs-
burg über das Vaterunser gepredigt; 2. der dortige Bischof (Peter
von Schauenberg) hat ihn gebeten, sie deutsch niederzuschreiben;
3. Nicolaus hat die Bitte noch während seines Aufenthaltes in
Augsburg erfüllt. Die Datierung ist also klar: Januar 1440.
3. „Ein kurcze 1er vnd auflegung vber den heyligen
Pater Nofter‘ (Pr. LXXI)
Die Datierung der dritten Predigt scheint auf den ersten Blick
durch die ihr voraufgehende Rubrik gegeben zu sein: ,,in dem
vafchanng Anno domini m°cccc° vnd darnach in dem Ij jar.“ Über
das Jahr kann es keinen Streit geben: 1451, das Jahr der großen
Legationsreise. Mit dem Tag ist es nicht ebenso. Unter'vaschanng’
versteht man gewöhnlich den Dienstag nach Quinquagesima ('Esto
mihi’). Dieser Tag fiel 1451 auf den 9. März. Nun war der Legat
nach den sehr genauen Nachweisen von I. Zibermayr1 bereits am
1 I. Zibermayr, Die Legation des Kardinals Nikolaus Gusanus und die
Ordensreform in der Kirchenprovinz Salzburg, S. 118.
J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Für diese Datierung spricht nun auch ein psychologisches Mo-
ment, das man m. E. nicht unterschätzen darf: wie der erklärende
Apparat zeigt, weist die deutsche Vaterunser-Erklärung (Pr. XVIII)
so viele inhaltliche und formelle Parallelen zum dritten Buch von
,,De Docta Ignorantia“ auf, daß man beide Werke auch in einen
engen zeitlichen Zusammenhang bringen muß. Lägen sie ein Jahr
auseinander, so gäbe es sicher nicht so viele Übereinstimmungen
auch in Kleinigkeiten. Denn es ist ja gerade für Gusanus kenn-
zeichnend, daß er seine Gedanken immer wieder in neue Formen
kleidet und die Wiederholungen scheut.
2. „Ihefus in eyner allerdemuttich fter menfcheit“
(Pr. XVIII)
Das Wesentliche über die Datierung dieser Vaterunser-Erklä-
rung ist bereits gesagt; wir müssen es hier nur zusammenfassen
und begründen. Ausgangspunkt ist die Rubrik auf dem Vorsatz-
blatt von Glm. 18711 (T): „Sermo eiusdem super Dominica Ora-
tione Augustae factus et ad petitionem domini Episcopi ibidem
per eundem traditus in vulgari theutonico“. Da die Notiz
von gleichzeitiger Hand stammt und die Tegernseer Mönche in
enger persönlicher Verbindung mit Nicolaus standen, so verdient
sie Vertrauen. Sie sagt uns dreierlei: 1. Gusanus hat in Augs-
burg über das Vaterunser gepredigt; 2. der dortige Bischof (Peter
von Schauenberg) hat ihn gebeten, sie deutsch niederzuschreiben;
3. Nicolaus hat die Bitte noch während seines Aufenthaltes in
Augsburg erfüllt. Die Datierung ist also klar: Januar 1440.
3. „Ein kurcze 1er vnd auflegung vber den heyligen
Pater Nofter‘ (Pr. LXXI)
Die Datierung der dritten Predigt scheint auf den ersten Blick
durch die ihr voraufgehende Rubrik gegeben zu sein: ,,in dem
vafchanng Anno domini m°cccc° vnd darnach in dem Ij jar.“ Über
das Jahr kann es keinen Streit geben: 1451, das Jahr der großen
Legationsreise. Mit dem Tag ist es nicht ebenso. Unter'vaschanng’
versteht man gewöhnlich den Dienstag nach Quinquagesima ('Esto
mihi’). Dieser Tag fiel 1451 auf den 9. März. Nun war der Legat
nach den sehr genauen Nachweisen von I. Zibermayr1 bereits am
1 I. Zibermayr, Die Legation des Kardinals Nikolaus Gusanus und die
Ordensreform in der Kirchenprovinz Salzburg, S. 118.