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Panzer, Friedrich; Wolfram; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 1. Abhandlung): Gahmuret: Quellenstudien zu Wolframs Parzival — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42017#0011
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Über die geschichtliche Leistling des größten und tiefsinnig-
sten Dichters des deutschen Mittelalters ein begründetes Urteil zu
fällen, stößt in einem Punkte auf ein bedeutendes Hemmnis: es
besteht keine Einigkeit in der Forschung über das Ausmaß, in dem
Wolframs Hauptwerk, der Parzival, seinen Vorlagen verpflich-
tet ist.
Die Lage ist dabei merkwürdig genug, indem der Dichter eine
an mittelalterlichem Brauche gemessen sogar ungewöhnlich genaue
Auskunft über seine Vorlage gibt. Denn er nennt nicht nur den
Namen ihres Verfassers, sondern er weiß auch über die Vorge-
schichte dieses Werkes Angaben zu machen, wie sie in solcher Fülle
und Genauigkeit in den vielen Quellenangaben mittelalterlicher
Epik nirgends wieder begegnen. Man brauchte diesen Mitteilungen
also nur einfach zu folgen und wenigstens die Frage, welches die
Quelle des Parzival gewesen, wäre entschieden.
Aber kann und darf man ihnen folgen ? Ohne Vorbehalte kann
das niemand bejahen. Denn die Angaben sind in sich mehr als
seltsam. Nicht wie sonst die mittelalterlichen Epiker spricht Wolf-
ram im Eingang des Werkes von seiner Quelle. Im 8. Buche
erst findet sich ganz beiläufig, den gleichgültigen Namen einer
Nebenperson zu stützen, die Berufung auf einen Kyot, der den
Mann so genannt habe. Gründlichere Aufklärung, die später noch
mehrere kurze Hinweise bestätigen und erweitern, erhalten wir im
9. Buch. Kyot hören wir, sei ein Provenzale gewesen, der jedoch
in französischer Sprache gedichtet habe. Kyots Quelle aber, in
der er die Gralgeheimnisse las, soll ein Buch in heidnischer Sprache
gewesen sein, das er in Toledo „verworfen“ gefunden habe; er
mußte erst seine seltsame Schrift lesen lernen und hätte das Buch
doch nie lesen können, wär er nicht Christ gewesen. Dies Buch
war von dem weisen Heiden Flegetanis verfaßt, der, mutterhaft
von Salomo stammend, Namen und Geschichte des Grals in den
Sternen gelesen hatte. Kyot suchte nun in lateinischen Werken
nach dem Namen des Geschlechtes der Gralshüter; er durchforschte
die Chroniken von Britannien, Irland und Frankreich: in Anjou
fand er endlich, die von Mazadan und von Titur 1 abstammen,
d. h. das Artus- und Gralgeschlecht.
1 Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1939/40. 1. Abh.
 
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