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Panzer, Friedrich; Wolfram; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 1. Abhandlung): Gahmuret: Quellenstudien zu Wolframs Parzival — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42017#0017
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Gahmuret, Quellenstudien zu Wolframs Parzival

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gefährliche Abenteuer erleben an denen Moriaen nur in geringem
Maße beteiligt ist; ihre Einzelheiten haben nichts mit Wolframs
Erzählung zu tun und interessieren hier nicht. Es glückt den Dreien
schließlich Perceval und Agioval aufzufinden. Agioval wird der
einst Verlassenen zugeführt und heiratet sie endlich.
Diese Erzählung stimmt mit der Belakanengeschichte, wie man
sieht, in Folgendem überein. Ein Ritter, der in naher verwandt-
schaftlicher Beziehung zu Parzival steht, hat die Liebe einer Mohrin
gewonnen, sie aber verlassen, während sie ein Kind von ihm trägt.
Der nach seinem Scheiden geborene Sohn erhält einen Namen nach
seiner Hautfarbe. Er zieht erwachsen aus, den Vater zu suchen
und findet ihn, bzw. einen Verwandten.
Das geschichtliche Verhältnis zwischen den beiden Erzählun-
gen ist verschieden beurteilt worden. G. Paris1 wie J. D. Bruce2
haben ihr Zusammentreffen für zufällig erklärt, da die beiden Ge-
schichten nur aus epischen Gemeinplätzen zusammengesetzt seien.
Andere — wie E. Martin, S. Singer, J. L. Weston— wollten die
Übereinstimmung daraus ableiten, daß sie eine verlorene franzö-
sische Quelle annahmen, aus der Wolfram wie der Niederländer
geschöpft hätte; jener allerdings nur mittelbar auf dem Wege
über Kyot.
Allein von einer solchen Quelle fehlt jede Spur — wie immer,
wo man den fatalen Kyot beschwört. Der Moriaen ist fast ein
Jahrhundert jünger als der Parzival. Seine beiden niederländischen
Herausgeber, Jonckbloet wie te Winkel, halten ihn als Ganzes
nicht für die Bearbeitung einer französischen Vorlage, sondern für
ein niederländisches Originalwerk aus dem endenden 13. Jahr-
hundert. Wie mir scheint, mit gutem Fug; denn seine sehr bürger-
liche Haltung trotz der ritterlichen Abenteuer, der entscheidende
Wert, der auf eine ehrbare Verheiratung mit solider Versorgung
gelegt wird, atmet fühlbar genug den Geist der Mijnheers, nicht
des ritterlichen Frankreich. Daß seine Erzählung, soweit sie von
Moriaen handelt, mit Wolfram zufällig zusammenträfe, kann ich
aber nicht glauben; dafür ist die übereinstimmende Motivenkette
immerhin zu gliederreich, wenn auch Erwerbung einer heidnischen
Prinzessin und Suche des Sohnes nach dem Vater je für sich epische
Gemeinplätze heißen mögen. Ich möchte die Übereinstimmung
daraus erklären, daß das Grundgerippe der Erzählung des nieder-
1 Histoire litteraire de la France 30, Paris 1888, S. 253.
2 The Evolution of Arthurian Romance, Göttingen 1923, I. 331 ff.
 
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