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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 3. Abhandlung): Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42019#0013
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Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie 13

Von der Absetzung des Jesus wird nichts gesagt, ebensowenig
von der Wiedereinsetzung des Boethossohnes Joasar, der XVIII 3
bei der Schatzung des Quirinius im Jahre 6 unvermutet wieder-
auftaucht. Er führt hier den Titel nicht bloß als gewesener Hoher-
priester, wie das sonst bei Josephus wohl vorkommt; denn in
XVIII 26 wird zum zweiten Male von seiner Absetzung berichtet,
und zwar noch im selben Jahr durch Quirinius, diesmal mit der
Begründung, daß das Volk ihn angefeindet habe, während ihm bei
seiner ersten Absetzung im Jahre 4 v. Chr. zum Vorwurf gemacht
wird, daß er es mit den Aufrührern gehalten habe (XVII 339). Man
überbrückt die Unstimmigkeit im allgemeinen durch die Annahme,
daß Josephus am Schluß von Buch XVII einfach vergessen habe,
die Absetzung des Jesus und die Wiedereinsetzung Joasars durch
Archelaos zu erwähnen. Ein ähnliches Versehen liegt schon bei
Jesus, dem Sohne des Pliiabi, vor, und eine zweimalige Amts-
führung wird auch dem Ananel zugeschrieben. Das letztere liegt
an sich im Bereiche der Möglichkeit (vgl. XIX 313—316). Trotz-
dem wird man sich fragen, ob nicht die Verdoppelung der Amts-
führung Joasars — und bei Ananel kann es ähnlich liegen — erst
durch Kontamination der Quellen entstanden ist. Eine analoge
Verdoppelung von Ereignissen als Folge der Verbindung von zwei
verschiedenen Quellen liegt auch in dem zweimaligen Bericht über
die Eifersucht des Herodes gegen Mariame vor1: nach Nikolaos
XV 65—70. 81—87 = bell. I 441—444 gegen seinen Schwager
Joseph, den Mann der Salome, und nach Ptolemaios XV 185—186.
202 ff. gegen den Haushalter Joseph und den Ituräer Soaimos.
Infolge dieser Verdoppelung bringt auch Hebbel in seinem Drama
den Vorfall zweimal2.
Die Absetzung Joasars durch Quirinius im Jahre 6 n. Chr.
(XVIII 26) ist nach dem, was vorher XVIII 3 über ihn berichtet
worden ist, auffällig; denn daß in XVIII 3 von ihm als einem
gewesenen Hohenpriester die Rede sei, ist wenig wahrscheinlich.
Soeben hat sich Joasar dem Quirinius gegenüber äußerst verdient
gemacht, indem er das gegen die Schatzung rebellierende Volk
beruhigt hat, und sofort danach wird er seines Amtes entsetzt.
Die Unstimmigkeit begreift sich, wenn das in XVIII 3 über Joasar
1 So schon von Destinon (Die Quellen des Flavius Josephus, 1882
113) vermutet, von Schürer (I 385f. Anm. 51) nicht richtig beurteilt.
2 Solche Verdoppelungen finden sich auch sonst oft, z. B. bei Livius,
auch im Neuen Testamente.
 
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