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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 3. Abhandlung): Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42019#0031
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Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie 31

Auch Jesus wird mit ,,Rabbi“ angeredet1, genau wie die Rabbinen2.
Der Ausdruck, der später wie Monsignore u. ähnl. zum abgeschlif-
fenen Titel der Rabbinen geworden ist3, bedeutet eigentlich ,,mein
Herr“, hat aber zur Zeit der Mischna die spezielle Redeutung des
Lehrers. Das älteste Zeugnis für diese Bedeutung des Ausdrucks
ist ein Ausspruch des Josua ben Perachja, eines Schriftgelehrten
der Zeit um 100 v. Chr.4, und im selben Sinne wird auch Jesus
als Rabbi angeredet. Als Lehrer hat schon der Täufer seinen Schü-
lern eine Regel für das obligatorische Fasten und ein formuliertes
Gebet gegeben, und beides scheint die urchristliche Gemeinde von
den Johannesschülern übernommen zu haben.
Der enge Zusammenhang zwischen den Johannesschülern und
der ältesten christlichen Gemeinde ist in der Tradition von Anfang
an festgehalten worden: Johannes gilt im Evangelium als Vor-
läufer Jesu. Dieser Zusammenhang ist zweifellos historisch. Dar-
auf weist auch der Name Ναζωραίοι, den die judenchristliche Ur-
gemeinde AG 24, 55 und den später die Judenchristen des Ost-
jordanlandes nach Epiphanius haer. 29 führten und der identisch
ist mit dem der gleichfalls im Ost jordanlande ansässigen jüdischen
Baptistensekte der Νασαραΐοι6. Der Name weist also über die christ-
liche Urgemeinde zurück in den jüdischen Baptismus, in dessen
Rahmen auch der Baptist Johannes gehört. Von da ist die Tauf-
sitte in die judenchristliche Urgemeinde gekommen, wo sie bis in
die ersten Anfänge zurückgeht. W. Brandt7 hat gezeigt, daß die
1 Mark. 9, 5; 11,21; 14,45; Matth. 26, 25. 49; Joh. 1, 38. 49; 3,2.26;
4, 31; 6, 25; 9, 2; 11, 8; auch ραββουνι Mark. 10, 51; Joh. 20. 1.
2 Matth. 23, 7. 8.
3 Schürer, II 315, Anm. 8. 9. Ebenso in der syrischen Kirche der
Titel Mär(i)
4 An die feste Abstufung der Grade von Lehrer, Kandidat und Schüler,
wobei der Kandidat (talmid chäkäm) mit 40 Jahren die Lehrbefähigung
bekommt, braucht man dabei natürlich nicht zu denken.
5 Auch Jesus wird Matth. 2, 23 so genannt. Dementsprechend heißt er
im Talmud Jeschu hannösri.
6 Die Ableitung der Bezeichnung von dem Orte Nazareth, die Matth.
2, 23 vertreten wird, ist schon an sich wenig wahrscheinlich, und etymolo-
gisch nicht möglich. M. Lidzbarski (Mandäische Liturgien, 1920, XVI ff. und
Ginzä, 1925, IXff.) hat das Wort als Nominalbildung vom Stamme nsr „be-
wahren, beobachten“ erklärt und versteht ihn als „Observanten“ (von Riten).
H. Zimmern (ZDMG. LXXIV, 429ff.) deutet ihn als „Bewahrer“ (von Ge-
heimnissen). Ed. Meyer, II 423f„ lehnt das ab; dagegen M. Lidzbarski,
Zeitschrift für Semitistik, I 1922, 230ff.
7 W. Brandt, Die jüdischen Baptismen, 1910, 120ff.
 
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