Metadaten

Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 1. Abhandlung): Martials Grabepigramm auf den Pantomimen Paris: XI,13 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42020#0012
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6

Otto Weinreich:

Wie hätte Domitian ein solches nobile marmor für Paris dulden
können ? Hat er doch selbst einen jungen Schüler des Pantomimen,
nur weil er ihm in Kunstart und Aussehen ähnlich war, hinrichten
lassen1, desgleichen die vielen, die es gewagt hatten, die Stelle
mitten auf der Straße, wo Paris ermordet worden war, mit Blumen
und Myrrhenöl zu ehren2. Ebenso ausgeschlossen ist es, daß Mar-
tial, dessen blanditiae gegenüber Domitian bis zur oder über die
Grenze des Erträglichen gingen, ein solches Epigramm oder eine
bescheidenere Vorform davon damals geschrieben haben könnte.
Das Buch, in dem wir es nun lesen, erschien Dezember 96.
Drei Monate vorher, am 18. September, war Domitian ermordet
worden, nicht ohne Mitwissen und Förderung der Domitia3. Ich
lege kein Gewicht auf die erst in späten Quellen auftretende An-
gabe, wonach gerade Bache für Paris’ Ermordung eine Rolle ge-
spielt haben soll4. Aber das dürfte klar sein: nur ein aktueller
Anlaß kann jetzt, über ein Dutzend Jahre nach Paris’ Tod, zu
Martials Gedicht geführt haben. Ich nehme an, in den drei Monaten
zwischen Domitians Tod und dem Erscheinen des Buches hat Do-
mitia dem toten Geliebten, der seinerzeit irgendwo in der Stille
bestattet war, das nobile marmor an der Via Flaminia errichten,
den Leichnam oder die Aschenurne überführen lassen und die
Totenehren, die dem Liebling des Volkes damals vorenthalten
bleiben mußten, feierlich nachgeholt. Martial hat ihr das Grab-
epigramm geliefert, das er nun gleich ins Buch aufnehmen kann.
Denn inzwischen hatte er durch das bekannte, nur in den Juvenal-
scholien 4, 37 überlieferte Distichon (Sp. 33):
Flavia gens, quantum tibi tertius abstulit heres!
Paene juit tanti, non habuisse duos5 *

1 Sueton, Dom. 10.
2 Dio 67, 3, 1. Die Art der Verehrung’ grenzt ans Kultische: einen heili-
gen Stein etwa schmückt man mit Blumen und salbt ihn (vgl. meine Nach-
weise Hermes 56, 1921, 339ff.), auf Leiche, Scheiterhaufen oder Grab streut
man sie und gießt Wohlgerüche, gerade auch Myrrhe, aus (H. Blümner, Röm.
Privataltertümer 485; 501; Friedländer-Wissowa9 3, 358; Steier, RE 16,
1143).
3 Sueton 14, 1; Dio 67, 15, 2; Stein a.a.O.
4 Aurel. Vict. 11, 7: uxore non ignarci, quae amorem histrionis viro praetu-
lerat. Epit. 11, 11: ob amorem Paridis.
5 S. meine Studien zu Martial (Tübinger Beitr. zur Altertumswissen-
schaft 4) 169.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften