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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0006
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6

E. Wahle:

früher, oder setzt sie erst während des letzten Jahrhunderts ein?
Was gibt es überhaupt an festen Anhaltspunkten für die Bestim-
mung des absoluten Alters der Spät-La-Tene-Formen, und kommt
hier der einzelnen Beobachtung eine mehr als regionale Gültigkeit
zu? Wie weit in das erste Jahrhundert nach Christi Geburt hinein
reicht diese Formenwelt, und zwar insbesondere dort, wo sich
rechts des Rheines der provinzialrömische Einfluß erst recht spät
geltend macht oder wo er überhaupt fehlt ? Angesichts all dieser
offenen Fragen ist es vielleicht schon sehr kühn, den Bettinger
Stoff in die Zeit um 50 v. Chr. zu verlegen und den Einwand auf
sich zu nehmen, ein größerer Spielraum wäre richtiger gewesen.
Aber diese Unsicherheit in der genauen zeitlichen Festlegung des
Gesamtbegriffes Spät-La-Tene wie auch seiner Unterabteilungen
wird noch von derjenigen übertroffen, die in bezug auf die volk-
liche Zuweisung des Gräberfeldes besteht.
Seitdem Kossinna erstmals das langsame Wachsen des ger-
manischen Siedlungsraumes mit archäologischen Mitteln verfolgt
hat, gelten in den keltisch-germanischen Grenzbereichen die Körper-
gräber als Zeugnis keltischen Volkstums und werden die eisenzeit-
lichen Brandbestattungen in dem Baum nördlich ihres Vorkom-
mens den Germanen zugeschrieben1. Noch eine jüngst erschienene
Dissertation2 sucht auf diesem Wege in dem Fundstoff des aus-
gehenden Mittel-La-Tene die Kimbern sowohl am Rhein wie um
die Ostalpen herum zu ermitteln und ihren Wanderzug genauer
festzulegen, als die Schriftquellen es ermöglichen. Und doch kennt
auch ihre Verfasserin3 eine Arbeit Reineckes, welche den Nach-
weis führt, daß die im Spät-La-Tene in Mitteleuropa ziemlich all-
gemein zur Leichenverbrennung übergehenden Kelten schon im

1 Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte 26, 1895, 109—112; Zeitschrift des Vereins für
Volkskunde 6, 1896, 1—14. Im Korrespondenzblatt 38, 1907, 57 formuliert
Kossinna diesen Gesichtspunkt mit folgenden Worten: „In meinem 1895 bei
der Kasseler Anthropologenversammlung gehaltenen Vortrage über die vor-
geschichtliche Ausbreitung der Germanen in Deutschland habe ich die Körper-
bestattung als eines der unterscheidenden Merkmale hingestellt für die Kelten-
gräber der La-Tene-Zeit in ihren Grenzgebieten in Mittel- und Westdeutsch-
land gegenüber dem fortdauernden germanischen Leichenbrand. Dieser Ge-
sichtspunkt ist seitdem Gemeingut der Wissenschaft geworden.“
2 Ruth Hesse, Der Kimbernzug. Versuch seiner Festlegung auf Grund
der vorgeschichtlichen Bodenfunde. Diss. Berlin 1938.
3 a.a.O. 10.
 
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