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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0008
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E. Wahle :

Gebiet der Nahequelle aufmerksam machen1. Vertieft wird die
Übereinstimmung des hier geübten Bestattungsbrauches mit dem-
jenigen in dem sicher germanischen Norddeutschland noch durch
das Verbiegen der Waffen. Besonders die Schwerter und Lanzen-
spitzen sind hier am Bhein genau so in verbogenem Zustande mit
in das Brandgrab hineingelegt worden, wie das in Bondsen (Kreis
Graudenz), in Meisdorf (Mansfelder Gebirgskreis) und sonst noch
vielfach im Norden und Osten der Forschung schon lange bekannt ist.
Und doch haben wir zu fragen, ob sich hinter dieser so nord-
deutsch gefärbten Maske wirklich Germanen verbergen müssen.
Kann hier nicht auch eine Entwicklung vorliegen, die uns einen
Wandel des führenden Volkstums vortäuscht? Besteht nicht ins-
besondere die Möglichkeit, daß dem Vordringen der Sweben des
Ariovist die Zuwendung der Kelten zu einem neuen Bestattungs-
brauch parallel geht2 und sich also die Grenzen beider Völker ver-
wischen, weil die Kelten jetzt nun auch ihre Toten verbrennen?
Wie sich dieser letztere Brauch schon im keltischen Mittel-La-Tene
vorzeichnet, so ist hier in der Tat auch die Mitgabe der Waffen
in das Kriegergrab eine recht geläufige Erscheinung und begegnet
ferner auch die Sitte, diese Waffen zu verbiegen. Jahn hat dar-
auf aufmerksam gemacht, daß die Germanen dies bei den Kelten
schon seit längerem geübte Verbiegen vom späten Mittel-La-Tene
an nachahmen3. Und was den Brauch der Waffenbeigabe betrifft,
so weist Koethe4 darauf hin, daß sich dieser noch links von Saar
und Mosel findet, wo keine Elbgermanen hingekommen sind, und
deutet ihn aus dem lebendigen Fortwirken keltischer La-Tene-
Tradition.
Dem Bestattungsbrauch kann also ein Anhaltspunkt für die
volkliche Zuweisung der Bettinger Gräber nicht entnommen wer-
den, und so wäre die gleiche Frage noch an die Beigaben zu richten,
die Eisenwaffen sowohl wie die Reste der bronzenen Gürtelkette.
1 Mainzer Zeitschrift 29, 1934, 54f.
2 Es muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß
Kossinna zwar stets danach strebte, die frühgeschichtlichen Völker im Karten-
bilde recht scharf zu erfassen, daß er aber seinen sehr genauen Ausführungen
über die keltisch-germanische Grenze vom 5. bis 2. Jahrhundert v. Chr. nie-
mals eine entsprechende Angabe über die Zeit nach 100 v. Chr. hat folgen
lassen (auch nicht Korrespondenzblatt 38, 1907, 59).
3 M. Jahn, Die Bewaffnung der Germanen in der älteren Eisenzeit,
1916, 16ff. Vgl. dazu auch: K. Bittel, Die Kelten in Württemberg, 1934, 75.
4 Germania 21, 1937, 102; Rheinische Vierteljahrsblätter 9, 1939, 16.
 
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