Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlieher Kulturprovinzen 67
unmittelbare Sprache des Fundstoffes die Grundlage der Betrach-
tung bleibt. Aber die Funde veranschaulichen den frühgeschicht-
lichen Menschen doch nur in einer recht zufälligen Auswahl seiner
Lebensäußerungen, und so folgert, daß die Typentafel für sich
allein nicht Abbild eines Volkes sein kann. Freilich gewinnt diese
Erkenntnis nur sehr langsam an Boden; aus der Betonung der
Notwendigkeit der Typologie ergibt sich gewöhnlich sowohl ein
Verharren bei ihr wie auch die Vernachlässigung des Volkstums-
begriffes. Diese Überschätzung der Typologie hat weiter zur Folge,
daß die bodenständige Komponente über Gebühr herausgestellt
wird. Die „klassische“ Periode der Formvergleichung in der Prä-
historie, wie sie durch eine Reihe skandinavisch-norddeutscher
Forscher gekennzeichnet war, gehört schon längst der Vergangen-
heit an. Und an die Stelle der damals gepflegten, das Wesentliche
herausstellenden Überschau über große Gebiete tritt jetzt die Nei-
gung, aus der in kleinen Räumen angesetzten Einzelarbeit leitende
Gesichtspunkte zu gewinnen.
Es entspricht ganz den von Kossinna angewandten Grund-
sätzen, wenn hinter der wahrhaft internationalen Erscheinung der
spätbronzezeitlich-frühhallstättischen Urnenfelderstufe ein Volk
gesehen wird, das in diesen Brandbestattungen seine damals statt-
gehabten großen Wanderungen anzeigt. Einige zweifellos sehr be-
zeichnende Einzelheiten des Grabbrauches bilden das einende Band;
schon die Keramik kann von einem Lande zum anderen sehr ver-
schieden sein. Trotzdem aber sieht man hinter den betreffenden
Funden von der Pyrenäenhalbinsel dasselbe Volkstum wie in dem
mitteleuropäischen Kerngebiet der Urnenfelderbewegung, spricht
man von ihm auch im niederrheinischen Tiefland und führt man
ebenso die Urnenfelder Englands auf einen Bevölkerungszustrom
von der Gegend der Rheinmündung her zurück. Wurden früher
wohl da und dort Kelten als die Träger dieser Bewegung gesehen,
so sind es heute ziemlich allgemein die Illyrer1. Es ist oben schon
darauf aufmerksam gemacht worden, daß diese Kulturbewegung
der Urnenfelder auch in der Rheinprovinz heute einer Volksbewe-
1 Vgl. z. B. Mannus 6. Erg.-Bd. 1928, 258—270 (P. Bosch-Gimpera u.
G. Kraft); Bonner Jahrbücher 134, 1930, 47—53 (G. Kraft); 21. Bericht
der Römisch-Germanischen Kommission 1931, 105ff. (Chr. Hawkes); J. Po-
korry, Zur Urgeschichte der Kelten und Illyrier. Mit einem Beitrage von
R. Pittioni, Die Urnenfelderkultur und ihre Bedeutung für die europäische
Kulturentwicklung. Sonderdruck aus der Zeitschrift für celtische Philologie,
20 u. 21, 1938.
5*
unmittelbare Sprache des Fundstoffes die Grundlage der Betrach-
tung bleibt. Aber die Funde veranschaulichen den frühgeschicht-
lichen Menschen doch nur in einer recht zufälligen Auswahl seiner
Lebensäußerungen, und so folgert, daß die Typentafel für sich
allein nicht Abbild eines Volkes sein kann. Freilich gewinnt diese
Erkenntnis nur sehr langsam an Boden; aus der Betonung der
Notwendigkeit der Typologie ergibt sich gewöhnlich sowohl ein
Verharren bei ihr wie auch die Vernachlässigung des Volkstums-
begriffes. Diese Überschätzung der Typologie hat weiter zur Folge,
daß die bodenständige Komponente über Gebühr herausgestellt
wird. Die „klassische“ Periode der Formvergleichung in der Prä-
historie, wie sie durch eine Reihe skandinavisch-norddeutscher
Forscher gekennzeichnet war, gehört schon längst der Vergangen-
heit an. Und an die Stelle der damals gepflegten, das Wesentliche
herausstellenden Überschau über große Gebiete tritt jetzt die Nei-
gung, aus der in kleinen Räumen angesetzten Einzelarbeit leitende
Gesichtspunkte zu gewinnen.
Es entspricht ganz den von Kossinna angewandten Grund-
sätzen, wenn hinter der wahrhaft internationalen Erscheinung der
spätbronzezeitlich-frühhallstättischen Urnenfelderstufe ein Volk
gesehen wird, das in diesen Brandbestattungen seine damals statt-
gehabten großen Wanderungen anzeigt. Einige zweifellos sehr be-
zeichnende Einzelheiten des Grabbrauches bilden das einende Band;
schon die Keramik kann von einem Lande zum anderen sehr ver-
schieden sein. Trotzdem aber sieht man hinter den betreffenden
Funden von der Pyrenäenhalbinsel dasselbe Volkstum wie in dem
mitteleuropäischen Kerngebiet der Urnenfelderbewegung, spricht
man von ihm auch im niederrheinischen Tiefland und führt man
ebenso die Urnenfelder Englands auf einen Bevölkerungszustrom
von der Gegend der Rheinmündung her zurück. Wurden früher
wohl da und dort Kelten als die Träger dieser Bewegung gesehen,
so sind es heute ziemlich allgemein die Illyrer1. Es ist oben schon
darauf aufmerksam gemacht worden, daß diese Kulturbewegung
der Urnenfelder auch in der Rheinprovinz heute einer Volksbewe-
1 Vgl. z. B. Mannus 6. Erg.-Bd. 1928, 258—270 (P. Bosch-Gimpera u.
G. Kraft); Bonner Jahrbücher 134, 1930, 47—53 (G. Kraft); 21. Bericht
der Römisch-Germanischen Kommission 1931, 105ff. (Chr. Hawkes); J. Po-
korry, Zur Urgeschichte der Kelten und Illyrier. Mit einem Beitrage von
R. Pittioni, Die Urnenfelderkultur und ihre Bedeutung für die europäische
Kulturentwicklung. Sonderdruck aus der Zeitschrift für celtische Philologie,
20 u. 21, 1938.
5*