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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0074
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E. Wahle:

was die Bodenständigkeit der Bevölkerung betrifft, so „ließe sich
mit denselben Argumenten, aus denen für Norddeutschland und
Skandinavien eine ununterbrochene Besiedelung durch Indogerma-
nen womöglich bis zur Zeit der Kjökkenmöddinger hinauf erschlos-
sen wird, diese Kontinuität so ziemlich für jedes von Indogermanen
bewohnte Gebiet erweisen, z. B. für die Alpenländer oder für
Italien“1.
Diese Kritik Meyers, welcher diejenige Schräders entspricht,
ohne daß sie eine ebenso beredte Form gefunden hätte, liegt jetzt
mehr als drei Jahrzehnte zurück. Sie würde — heute ausgesprochen
— sich im einzelnen anderer Beispiele bedienen müssen; dank der
Arbeit der Sprachwissenschaft hat das indogermanische Urvolk
an Gestalt gewonnen, und entsprechend einer außerordentlichen
Zunahme der Grabungstätigkeit ist in die bis dahin oftmals uni-
forme Masse des Fundstoffes mancher persönliche Zug gekommen.
Aber das Problem selbst hat sich damit doch nur in die weiter
zurückliegende frühgeschichtliche Zeit hinein verlagert, und gegen-
über einer Prähistorie, welche ihr geschichtliches Ziel mit den Typen
erschöpft, bleiben die hier ausgesprochenen Bedenken in vollem
Umfang bestehen. Meyer fragt ferner, ob sich denn hinter einem
einheitlichen Fundkreis immer ein geschlossenes Yolksganze ver-
berge, ob man wirklich so genau hinter die Abwickelung einer Fund-
provinz sehen könne, daß dem Beobachter ein Wechsel seiner Trä-
ger nicht entgehe, und ob umgekehrt das Erscheinen eines neuen
archäologischen Bildes allein aus dem Auftreten eines neuen Volkes
zu erklären sei. An dieses Problem, das so alt ist wie die Prähistorie
selbst, haben uns die drei eingangs vorgetragenen Beispiele geführt.
Die in ihnen vorgeschlagenen Lösungsversuche bestehen nun
freilich nicht darin, daß sie eine neue Regel zeigen, nach der in
den entsprechenden Fällen allgemein zu verfahren sei. Gemeinsam
ist ihnen die Zurückhaltung gegenüber der ethnischen Deutung im
Stile Kossinnas, gemeinsam ferner diejenige Beziehung zu den
Schriftquellen, welche dem einzelnen Beispiel die Bedeutung eines
Vorbildes für ähnliche Fundbilder gibt, hinsichtlich deren die
Schriftquellen nichts mehr aussagen. Gewonnen ist mit ihnen zu-
nächst also noch nichts; ja, insofern sie an bekannten Lehrsätzen
rühren, zerstören sie mehr, als sie aufbauen. Und doch weisen die
drei Beispiele, so verschieden der Fall im einzelnen liegt, einen
1 Die angeführten Stellen bei Ed. Meyer 2, 1893, 43, sowie in der
zweiten Auflage 1/2 1909, 54, 735f. und 788.
 
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