Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0077
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 77
auch durch ein spät-la-tene-zeitliches oppidum so viel an Gestalt
gewonnen, daß eine kurze Erwähnung bei Cassius Dio, welche bis-
her allein von diesem Fürsten der Treverer erzählte, nun in neuem
Lichte erscheint1.
Diese Naturen vereinigen in sich die Aufgaben des Soldaten
und des Politikers; sie sind diejenigen Häuptlinge, welche die
großen Augenblicke des frühgeschichtlichen Werdens bestimmen,
und so gehen sie denn als Heroen in das Bewußtsein der Folgezeit
ein. Das gleiche gilt von den geistigen Führern, die wie die schon
genannte Yeleda und auch wie Ulfila ebenfalls Eingang in die
Walhalla gefunden haben. Anderseits gibt es auch mit Namen
genannte Gestalten, denen die Aufnahme in diesen Ehrentempel
versagt bleibt. So entbehrt der Quadenfürst Vannius, welcher
nördlich der Donau von den Römern zum Herren über einen
Klientelstaat eingesetzt worden war, für uns nicht nur deshalb des
besonderen Interesses, weil wir aus den Schriftquellen über ihn nur
wenig erfahren. Es fehlt hier die Entfaltung der Persönlichkeit und
die Mitbestimmung des Ganges der Ereignisse durch sie; dem-
gemäß fragt die Einzelforschung2 nicht nach der Gestalt des Van-
nius selbst, sondern nach der Lage und den Grenzen seines Reiches,
sowie nach der Dauer seines Bestehens. Wie aber im einzelnen
Fall die für uns greifbaren Mitglieder der Führungsschicht auch zu
bewerten sind -— es genügt in diesem Zusammenhang der Hin-
weis darauf, daß ihre Stellung in der germanischen Verfassung fest
verankert ist; der Achtung vor der politischen und militärischen
Führung steht diejenige zur Seite, welche man den Anordnungen
und Entscheidungen der Priester zollt, und wo sonst ein Volk in
den Bannkreis der ältesten Schriftquellen tritt, liegen die Dinge
ganz entsprechend.
Hieraus geht aber hervor, daß es derartige Führergestalten
schon vordem gegeben haben muß, und es uns nur infolge des Feh-
lens der Schriftquellen versagt bleibt, sie mit ihren Namen zu
nennen und in ihren besonderen Leistungen zu verfolgen. Mag die
Aufgabe, welche das Zusammentreffen mit den Römern mit sich
bringt, für die germanische Führungsschicht auch größer sein, als
sie es bis dahin gewesen, so war doch schon in der vorangegan-
1 Trierer Zeitschrift 1, 1926, 98f. (E. Krüger).
2 A. Gnirs, Die römischen Schutzbezirke an der oberen Donau. Ein
Beitrag zur Topographie Böhmens und Mährens in der Zeit des Imperiums,
1929. E. Schwarz, Über das Reich des Vannius. Sudeta 7, 1931, 145—155.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften