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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0078
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78

E. Wahle :

genen Zeit genügend Gelegenheit vorhanden, besondere Begabun-
gen zu entfalten. Und wie die Germanen ihr Siedelungsgebiet fort-
gesetzt erweitern, so fehlt es auch bei Kelten und Illyrern, sowie
den anderen prähistorischen Völkern nicht an Augenblicken, in
denen ihr Schicksal auf dem Vorhandensein einer Führernatur be-
ruht. Trotzdem aber gedenkt die Prähistorie noch kaum der her-
vorragenden Einzelgestalt1, und verschwindet für sie die persön-
liche Leistung in der Schrift- und Namenlosigkeit der frühgeschicht-
lichen Altertümer. Die typologische Methode bedarf des Typischen
in der Zusammensetzung der geschlossenen Funde, und sie sieht
sich sowohl hier wie angesichts der einheitlichen Weiterbildung
einmal vorhandener Gerätformen eines Kulturkreises lediglich
einem Kollektivum gegenüber. Geht die Prähistorie heute gele-
gentlich darauf aus, vermittels des Vergleiches einiger Kultur-
provinzen zum Wesen einer Volkspersönlichkeit vorzudringen, so
ist dies doch noch kein Ersatz für die Einzelgestalt. Die Namen-
losigkeit des Fundstoffes bringt es mit sich, daß das Interesse an
der schöpferischen, den Lauf der Entwicklung entscheidend beein-
flussenden Persönlichkeit in der frühgeschichtlichen Forschung
kaum jemals lebendig geworden ist. Und doch gibt es, glaube ich,
die Möglichkeit, sie da und dort zu finden, zwar nicht mit ihrem
Namen und Lebensschicksal, wohl aber in ihrer geschichtlichen
Leistung.
Natürlich erhebt sich sofort die Frage, wie anders als ver-
mittels der fürstlich ausgerüsteten Bestattung man denn die Einzel-
gestalt greifen will. Dazu kann nur gesagt werden, daß gerade das
Fürstengrab in diesem Zusammenhang kaum von Bedeutung ist,
denn das Wesen der fürstlichen Bestattung besteht für uns ja nur
in der Steigerung des archäologischen Inventars. Mit dem Vor-
handensein derartiger Gräber in den verschiedensten Zeiten und
Räumen des frühgeschichtlichen Arbeitsgebietes ist ja schon des-
halb für die hier interessierende Fragestellung nur wenig gewonnen,
weil es nicht minder große Gebiete gibt, welchen diese Erschei-
nung fehlt. So können wir z. B. niemals die Gräber des Ariovist
oder des Arminius ermitteln, denn die Mehrzahl der Südgermanen
kennt zu ihrer Zeit lediglich das einfache Urnengrab, in welches
1 In meinem Buche Deutsche Vorzeit, 1932, ist der Persönlichkeit von
besonderem Ausmaß bereits gedacht (s. im Sachregister unter Einzelpersön-
lichkeit, sowie besonders 147 f.); doch wenn ich recht sehe, hat man die
damit gebotene Anregung nirgendwo weiter verfolgt.
 
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