Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0097
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 97
dische Problem besteht aber hier nicht nur darin, wie ein bestimmter
Kreis von Funden einem geschichtlichen Volk zugewiesen wird;
nicht minder alt ist die Frage, was alles denn zur Abgrenzung
einer archäologischen Provinz gehört und wo überhaupt von einer
solchen gesprochen werden darf. Aber erst E. Blume hat in einer
bereits genannten Arbeit1 zu beweisen versucht, daß sich in den
regionalen Besonderheiten des Fundstoffes die Sitten der Völker
und Stämme widerspiegeln. Und so wenig es ihm damit gelang,
die schon vordem geäußerten Zweifel an der „Siedelungsarchä-
ologie“ Kossinnas wie auch den gleichgerichteten Bestrebungen
anderer zu beschwichtigen, so wenig hat es die Folgezeit vermocht,
eine bestimmte Vorstellung von dem Aussehen der Kulturprovinz
zur allgemeinen Anerkennung zu bringen. Noch heute ist dieser
Begriff für die Prähistorie ein offenes Problem, und vielleicht geht
schon hieraus hervor, daß die bisherige Art seiner Deutung nicht
tief genug ging. Man verkoppelt die tatsächlich feststellbare Gleich-
artigkeit der Gesittung, welche die Kulturprovinz veranschaulicht,
mit dem Für und Wider eines ethnischen Hintergrundes; dagegen
wird kaum irgendwo einmal die Frage angeschnitten, welche beson-
deren Lebensvorgänge denn jene Einheitlichkeit der Lebensführung
hervorgerufen haben sollen, welche sich in dem archäologischen
Nachlaß spiegelt. Blume geht davon aus, daß die Schriftquellen
den verschiedenen Stämmen gerne gewisse Eigentümlichkeiten zu-
erkennen, und er stellt sich vor, daß die Zusammenkünfte dieser
Gemeinschaften die einheitliche Ausprägung ihres uns in dem Fund-
nachlaß teilweise erhaltenen Besitzes mit sich gebracht hätten.
Aber weder hier noch anderwärts fühlt man sich veranlaßt, tiefer
in die gesellschaftlichen Voraussetzungen dieser „Einheitlichkeit
der Lebensführung“ einzudringen. So bleibt denn das Problem
der Methode bestehen, und die fortgesetzten Versuche, einem Fund-
kreis den Namen eines geschichtlichen Volkes zu geben, wer-den
von den ständigen Zweifeln an der Zulässigkeit dieses Verfahrens
begleitet. Es hat nun aber den Anschein, als ob diese auch heute
noch gültigen Einwände dadurch zum Schweigen gebracht werden
können, daß man die Kulturprovinz als Zeugnis eines lebendigen
Geschehens auffaßt. Denn beide schon Genannten haben von
ihrem Standpunkt aus gleichermaßen recht, sowohl Kossinna wie
Ed. Meyer, und es gilt, einen ihre beiderseitigen Einwände berück-
1 S. 62 f., Anm. 3.

j Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1940/41. 2. Abh.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften