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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0098
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98

E. Wahle:

sichtigenden Mittelweg zu finden und damit ein neues Ziel zu
weisen.
In der Germania des Tacitus begegnen der bekannte Haar-
knoten der Sweben und auch noch eine Anzahl anderer stammlich
gebundener Sitten; bei Paulus Diakonus werden die Langobarden
wegen ihrer weißen Unterschenkelbinden mit weißfüßigen Stuten
verglichen, und wenn andere Schriftsteller irgendein Volk kenn-
zeichnen wollen, dann wissen auch sie von derartigen Besonder-
heiten. So liegt es wirklich nahe, auf Grund solcher Einzelheiten
eine volkliche Zuweisung des archäologischen Stoffes zu versuchen.
Den eisernen Ring, den bei den Chatten „ganz besonders Tapfere
tragen, gleichsam wie eine Fessel, bis sie durch Tötung eines Fein-
des frei werden“ (Germ. 31), findet schon vor mehr als hundert
Jahren K. Wilhelmi in seinen Sinsheimer Hügelgräbern wieder.
Entscheidender als der Bergname Katzenbuckel, den er von Catten-
buckel ableitet, ist ihm1 der archäologische Befund. „Diese Catten
trugen nahmentlich auch den eisernen Tapferkeitsring an dem
Halse und hatten schon mehr regulierte Kriegskunst und voll-
ständigere Waffen; gleichwie wir auch diesen Ring von Eisen zwey
Mahl und die verschiedenartigsten Waffen in unsern Grabhügeln
gefunden haben. Und ich fühle mich dadurch gedrungen, unsre
Hügel zu erklären für Catten-Hügel, etwa aus der ersten Hälfte
des ersten Jahrhunderts.“ Von diesem frühen Versuch einer ethni-
schen Zuweisung bis zu demjenigen Kossinnas, verzierte Lanzen-
spitzen aus Eisen und anderes als Kennzeichen der Ostgermanen
zu verwerten2, hat sich hinsichtlich der Methode, solche Hinweise
der Schriftquellen mit dem Fundnachlaß zu verknüpfen und das
begrenzte räumliche Vorkommen weiterer archäologischer Einzel-
heiten entsprechend zu nutzen, nichts geändert. Aber Kos sin na
erlebte es noch selbst, daß die von ihm als „ganz vortreffliches,
untrügliches ethnologisches Kennzeichen“ hingestellte Mäander-
verzierung von westgermanischer Art in einer ganzen Anzahl von
Fällen bis tief in das ostgermanische Gebiet hinein nachgewiesen
wurde3. Damit war doch eben gezeigt, daß derartige Einzelheiten
keineswegs auf Stammesgebiete beschränkt sein müssen. Was sich
1 In der oben S. 49 Anm. 2 genannten Schrift von 1830, 174.
2 Zeitschrift für Ethnologie 37, 1905, 369ff.
3 Mannus 13, 1921, 82ff. (J. Kostrzewski). — Vgl. auch G. Kossinna,
Aber germanische Mäanderurnen, Korrespondenzblatt der Deutschen Gesell-
schaft für Anthropologie 38, 1907, 165 f.
 
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