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B. Wahle:
spurlos verschwinden, wie sie gekommen sind, daß sie nicht selten
überhaupt nur aus einer einzigen archäologischen Stufe gebildet
werden. Was diesen letzteren Fall betrifft, so bleibt er selbst dann
bestehen, wenn etwa die Schnurkeramik in verschiedene Unter-
abschnitte zerlegt wird, der Urnenfelderkreis auch die zweite Hall-
stattstufe beansprucht, und man ältere Gesichtsurnen von jün-
geren zu scheiden versteht. Genau so wie die Typologie in diesen
drei Beispielen versagt, sobald sie ihr Werden und Vergehen bis
in alle Einzelheiten hinein zeigen soll, ist das anderwärts immer
wieder der Fall, wenn man auf formenkundlichem Wege nach fort-
laufenden Linien der Entwicklung sucht. Dies gilt für den spiral-
keramischen Kreis genau so wie für denjenigen der Kugelflaschen,
für die Welt der Pfahlbauten nicht minder wie für diejenige der
Terramare1. Und wo sich gelegentlich, wie in den Beispielen der
Glockenbecher und von Aunetitz, der Übergang eines Formen-
kreises in eine gänzlich neue Gestaltung beobachten läßt, da steht
man doch sofort wieder vor der Frage, weshalb denn hier über-
haupt dieser Wandel möglich war. Aus dieser Erscheinung des un-
vermittelten Auftretens der Kulturprovinzen ergibt sich auch die
Schwierigkeit, das Problem der Indogermanenheimat auf mittel-
europäischem Boden befriedigend zu lösen; man steht günstigsten-
falls vor irgendeiner Auswirkung der Aufspaltung des Urvolkes,
nicht aber vor dieser selbst. Deshalb aber ist die Frage nach der
Urheimat, mit der sich ja die Bearbeitung des Indogermanen-
problems in unserem Schrifttum für gewöhnlich erschöpft, lediglich
eine Angelegenheit der Kombination2. Dem entspricht im Bereiche
der griechischen Frühgeschichte die Schwierigkeit, das erste Auf-
treten der Indogermanen in einer eindeutigen und auch eindrucks-
vollen archäologischen Erscheinung zu fassen.
Wie wenig mit dem Streben, hinter dem Wechsel der Kultur-
provinzen lediglich die Bewegung von Völkern zu sehen, für ge-
wöhnlich gewonnen ist, zeigte sich bereits angesichts der Frage der
Herkunft sowohl des La-Tene-Stiles wie des Mehrener Kreises.
1 Neuerdings stellt P. Grimm ausdrücklich fest, daß in dem an neolithi-
schen Erscheinungen besonders reichen mitteldeutschen Raum „insbesondere
die Vor- und Frühstufen der einzelnen Kulturen noch kaum bekannt sind“
(Mannus 32, 1940, 379).
2 In meinem Buche Deutsche Vorzeit (1932) habe ich diesem Standpunkt
bereits Rechnung getragen. Die Indogermanisierung Mitteleuropas wird dort
nicht in Form von Typenreihen nachgewiesen, sondern vermittels ihrer Aus-
wirkungen festgestellt.
B. Wahle:
spurlos verschwinden, wie sie gekommen sind, daß sie nicht selten
überhaupt nur aus einer einzigen archäologischen Stufe gebildet
werden. Was diesen letzteren Fall betrifft, so bleibt er selbst dann
bestehen, wenn etwa die Schnurkeramik in verschiedene Unter-
abschnitte zerlegt wird, der Urnenfelderkreis auch die zweite Hall-
stattstufe beansprucht, und man ältere Gesichtsurnen von jün-
geren zu scheiden versteht. Genau so wie die Typologie in diesen
drei Beispielen versagt, sobald sie ihr Werden und Vergehen bis
in alle Einzelheiten hinein zeigen soll, ist das anderwärts immer
wieder der Fall, wenn man auf formenkundlichem Wege nach fort-
laufenden Linien der Entwicklung sucht. Dies gilt für den spiral-
keramischen Kreis genau so wie für denjenigen der Kugelflaschen,
für die Welt der Pfahlbauten nicht minder wie für diejenige der
Terramare1. Und wo sich gelegentlich, wie in den Beispielen der
Glockenbecher und von Aunetitz, der Übergang eines Formen-
kreises in eine gänzlich neue Gestaltung beobachten läßt, da steht
man doch sofort wieder vor der Frage, weshalb denn hier über-
haupt dieser Wandel möglich war. Aus dieser Erscheinung des un-
vermittelten Auftretens der Kulturprovinzen ergibt sich auch die
Schwierigkeit, das Problem der Indogermanenheimat auf mittel-
europäischem Boden befriedigend zu lösen; man steht günstigsten-
falls vor irgendeiner Auswirkung der Aufspaltung des Urvolkes,
nicht aber vor dieser selbst. Deshalb aber ist die Frage nach der
Urheimat, mit der sich ja die Bearbeitung des Indogermanen-
problems in unserem Schrifttum für gewöhnlich erschöpft, lediglich
eine Angelegenheit der Kombination2. Dem entspricht im Bereiche
der griechischen Frühgeschichte die Schwierigkeit, das erste Auf-
treten der Indogermanen in einer eindeutigen und auch eindrucks-
vollen archäologischen Erscheinung zu fassen.
Wie wenig mit dem Streben, hinter dem Wechsel der Kultur-
provinzen lediglich die Bewegung von Völkern zu sehen, für ge-
wöhnlich gewonnen ist, zeigte sich bereits angesichts der Frage der
Herkunft sowohl des La-Tene-Stiles wie des Mehrener Kreises.
1 Neuerdings stellt P. Grimm ausdrücklich fest, daß in dem an neolithi-
schen Erscheinungen besonders reichen mitteldeutschen Raum „insbesondere
die Vor- und Frühstufen der einzelnen Kulturen noch kaum bekannt sind“
(Mannus 32, 1940, 379).
2 In meinem Buche Deutsche Vorzeit (1932) habe ich diesem Standpunkt
bereits Rechnung getragen. Die Indogermanisierung Mitteleuropas wird dort
nicht in Form von Typenreihen nachgewiesen, sondern vermittels ihrer Aus-
wirkungen festgestellt.