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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0129
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 129

gegeben und ferner eine weite räumliche Gültigkeit, während die
Vorstellung von der begrenzten Bedeutung derartiger formenkund-
licher Einzelheiten den Ablauf der Dinge gleichsam ruhiger — und
auf der anderen Seite wieder viel lebendiger -— sieht.
Doch soll hiermit nun auch wieder in keiner Weise einer Flucht
in die Autochthonie Vorschub geleistet werden. Von dem Streben,
vermittels mehr oder weniger dünner typologischer Fäden weit-
reichende Ahnentafeln aufzustellen, wurde bereits gesprochen1. Es
ergibt sich weniger aus der Ablehnung der alteingewurzelten Nei-
gung, überall Wanderungen zu finden, als wie aus einer heute gerne
geübten Zurückweisung alles Fremden, mag es sich hierbei nun
um Kultureinflüsse, Völker- oder gar Rassenströme handeln. Den
schon genannten, insbesondere mitteldeutsche Stoffgebiete betref-
fenden Arbeiten dieser Richtung schließen sich weitere Äußerun-
gen desselben Forscherkreises an. Ganz einerlei, ob es sich hier nun
um Kugelflaschen, um den Rössener Stil oder die Baalberger Kultur
handelt2; überall sollen sehr unbestimmte, aber jedenfalls boden-
ständige Kräfte am Werke sein, welche ,,die Selbständigkeit der
nordischen Kulturen Mitteldeutschlands“ beweisen3.
In welchen Fällen hier wirklich Menschen wandern und in
welchen nur die Gesittung, ob ein Formenkreis von weiterreichen-
der Bedeutung ist oder nicht, ob hier lediglich ein Kultureinfluß
vorliegt, dort aber die Erneuerung eines Volkes aus dem eigenen
Nährboden heraus — überall handelt es sich um die Nationalität
der Kulturprovinzen. Die Geschichte der Prähistorie lehrt, daß
diese Frage schon alt ist, und daß sie stets von dem Gesichts-
kreise der betreffenden Zeit her ihre Beantwortung gefunden hat;
daraus wird man folgern dürfen, daß sie trotz aller Fortschritte in
der Methode bis zu einem gewissen Grade immer ein Problem bleibt .
Doch möge die Betonung der Dynamik, also des Menschen, der
Deutung der Kulturprovinzen eine neue Richtung weisen. Es ergab
sich hier die Vorstellung, daß uns die Funde im allgemeinen mehr
nur die Zeiten des ruhig dahinfließenden Lebens, weniger die-
jenigen der entscheidenden Formung zeigen, daß der archäolo-
gische Stoff gerade die ,,Zehrperioden“ verkörpert, und wir die
geschichtlich fruchtbaren ,,Nährperioden“, in denen die tragenden
1 S. 70 f.
2 Priebe, a.a.O.; F. Niquet in derselben Jahresschrift 26, 1937, 60;
Mannus 29, 1937, 168ff. (P. Grimm).
3 Grimm, a.a.O., 155.
9 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1940/41. 2. Abh.
 
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