Metadaten

Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0007
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rom und die Christen im ersten Jahrhundert

Gewalten auf Erden (erst so bekommt der Ausdruck cd 8z ούσαι
seinen Sinn!) von Gott „geordnet“. Paulus redet weiter von den
Beamten, die nur der Übeltäter zu fürchten habe, und schließt mit
einem Hinweis auf die Steuerpflicht : „Deswegen (weil man um des
Gewissens willen gehorchen muß) zahlt ihr ja auch Steuern, denn
Amtleute (λειτουργοί) Gottes sind ständig damit befaßt1“. Eine
Deutung der konkreten εξουσία!, auf übermenschliche Mächte wäre
sprachlich schwierig und sachlich überflüssig2. Hier ist nur eine
Beziehung zwischen den Behörden und Gott vorausgesetzt: jede
Obrigkeit ist Dienerin Gottes, die die Guten belohnt und die Bösen
bestraft und in dieser Mission berechtigt ist, das Schwert zu führen.
Der viel erklärte und oft mißverstandene Text kann für die
Frage nach den tatsächlichen Beziehungen zwischen Rom und den
Christen nur dann richtig ausgewertet werden, wenn man zwei Vor-
aussetzungen berücksichtigt, die oft übersehen werden: daß der
Hauptgedanke nicht von Paulus, sondern aus der Tradition stammt
und daß er bei Paulus eine selbstverständliche — nämlich eschato-
logische — Einschränkung erfährt.
1. Der Gedanke, daß jede Obrigkeit durch Gottes Ordnung
existiere, ist nicht eine Theorie des Paulus, sondern jüdisch-christ-
liches Traditionsgut. Er steht in einem Zusammenhang, in dem
Paulus lauter sogenannte „Paränese“ wiedergibt, d. h. überlieferte,
von dem Apostel weiter gegebene Regeln für das sittliche Leben.
Es kann kein Zweifel bestehen, daß Römer 13 zur Paränese gehört;
die bekannten Merkmale dieser Gattung sind unverkennbar3. Wie
sonst in der Paränese, so fehlt auch in Römer 13 der Zusammen-
hang nach rückwärts überhaupt; nach vorwärts ist er nur künst-
1 Ich fasse wie Kittel, Christus und Imperator, S. 6 λειτουργοί, ü-εοϋ als
Subjekt; wenn man, wie die meisten, in λειτουργοί das Prädikatsnomen sieht,
gerät man in die Verlegenheit, ein Subjekt (die Beamten) ergänzen zu müssen,
auf das doch nirgends verwiesen ist.
2 Ich habe selbst 1909 diese Deutung erwogen (Die Geisterwelt im
Glauben des Paulus, S. .200); sie ist dann am ausführlichsten von Gü nther
Dehn (Theol. Aufsätze für Karl Barth, 1936, S. 90—106) begründet und
— nach einer freundlichen Mitteilung von Werner G. Kümmel in Zürich —
durch Oscar Cullmann (Königsherrschaft Christi und Kirche im Neuen Test.,
Zollikon 1941) weiter ausgeführt worden. K. L. Schmidt hat sie in den Theol.
Blättern 1937, 14f. mit Bedenken, aber nicht ohne Sympathie, diskutiert. Die
ausführlichste und überzeugendste Widerlegung der These für Römer 13 findet
sich bei Gerhard Kittel, Christus und Imperator, S. 48—54.
3 Vgl. dazu meinen Kommentar zum Jakobusbrief (Meyers Kommen-
tar), 3ff. und mein Buch ,,Die Formgeschichte des Evangeliums“ 1933, 239 ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften