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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0017
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Rom und die Christen im ersten Jahrhundert

17

ein altes Schema vermutlich der griechischen Volksethik, das von
der Stoa gern benutzt wurde und unmittelbar oder auf dem Wege
über das Judentum zu den Christen gelangte1. Diese Haustafel,
I. Petr. 2, 13ff., unterscheidet sich nun von anderen dadurch, daß
ihr erstes Stück die Pflichten gegen Kaiser und Statthalter ein-
schärft. Dieses Stück ist nicht einheitlich; sein Anfang ist eine
allgemeine Mahnung zum Gehorsam2, sein Ende ein vierteiliger
Spruch, in dem der Kaiser nur neben anderen genannt wird3. Es
ist also möglich, daß in dem Haustafelschema, das der Verfasser
benutzte, hier der Anfang einer allgemeinen Pflichtenlehre stand.
Der Verfasser hat sie aber so bearbeitet, daß ihr Thema der Ge-
horsam gegen die Obrigkeit wurde. Seine Bearbeitung ist unver-
kennbar in 2, 15 „daß ihr durch Gutestun die Torheit der Leute
zum Schweigen bringt“. Das ist, wie wir schon sahen, der Lieb-
lingsgedanke des 1. Petrusbriefes. Hier redet im Rahmen des tradi-
tionellen Schemas der Verfasser selbst.
Wenn nun der persönliche Anteil des Verfassers gerade in
diesem Stück so wesentlich hervortritt, dann dürften wir eigentlich
bei der Nennung von Kaiser und Statthalter auch einen Nieder-
schlag seiner eigenen Erfahrung erwarten. Wenn er schon staat-
liche Verfolgungen kannte, würde er einen Ausgleich zwischen seiner
Erfahrung und der Gehorsamspflicht versuchen. Er hat das nicht
getan, er hat Kaiser wie Statthalter genannt, ohne von Konflikten
zu reden; er hat bei der Erwähnung der Statthalter lediglich den
Gedanken ausgesprochen, daß sie den Bösen zur Strafe, den Guten
zum Lobe da seien4. Er hat also offenbar größere staatliche Ver-
1 Karl Weidiager, Die Haustafeln' ein Stück urchristlicher Paränese,
Ί928, S. 62ff.
2 ύποτάγητε πάση άνθ-ρωπίνη χτίσει διά τον κύριον. Meist übersetzt man
,,seid untertan jeder menschlichen Ordnung um des Herrn willen“, aber
dieser Gebrauch von κτίσις ist nicht nachweisbar; und W. Foerster hat
im Theo!. Wörterbuch III 1034 gezeigt, daß man sehr wohl mit der Bedeu-
tung „Schöpfung“ auskommen kann. Dann hat der erste Satz eine umfas-
sende Bedeutung „ordnet euch jedem menschlichen Geschöpf unter“, bezieht
sich nur nicht, wie Foerster meint, auf die ganze Haustafel, sondern auf
jene allgemeine Mahnung zum gehorsamen Dienst, wie sie der Vers ursprüng-
lich enthielt.
3 πάντας τιμήσατε, τήν άδελφότητα αγαπάτε, τον 9-εον φοβεΐσίΐε, τον βασιλέα
τιμάτε. Der Spruch paßt gut zu einer Mahnung allgemeiner Art; er paßt'
aber in dieser Form nicht zu dem Thema „Gehorsam gegen den Kaiser“;
wenn er dafür formuliert wäre, würde der Kaiser an erster Stelle stehen.
4 Dieser Vers, I. Petr. 2, 14, erinnert an Rom. 13, 4. 5. Es ist möglich,
2 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1941/42. 2. Abh.
 
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