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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0115
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Geschichte und Idee

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Nachkommen lebendig zu erhalten. Eine bloß kritische Historie
erfüllt diese Aufgabe nur teilweise; ihr fehlt jene Lebendigkeit und
Bildhaftigkeit, die allein imstande ist, eine unmittelbare Berührung
mit der Vorzeit zu schaffen1. Das wirkliche Leben spielt sich ab
im Persönlichen, Menschlichen, Existentiellen; nur wo dieses zur
Darstellung gelangt, vermag die Historie das Vergangene zum
Leben zu erwecken und der Gegenwart Antrieb zu eigenem Handeln
zu geben. Hier wird immer wieder jene vorwissenschaftliche Hi-
storie, die aus der unmittelbaren Erinnerung schöpft, ihr bestimmtes
Recht behalten. Auch diese älteste Historie, wie sie der Jahvist
in Israel erstmalig geschaffen hat, will mehr geben als bloßen Stoff
von Märchen, Anekdoten und Ortssagen; auch sie verarbeitet den
Stoff, indem sie auswählt, sichtet, ordnet, deutet; auch sie kennt
Tatsachen, aber nur so, wie sie in der Erinnerung geformt sind;
auch sie kennt Ursachen, aber nicht unabhängig von den Tatsachen2.
Aber sie bewahrt die Lebendigkeit ursprünglicher Erinnerung, und
hat zugleich den Reiz der dichterischen Schöpfung, der im Grunde
allen Erzeugnissen des Geistes eigen ist.
1 Vgl. Frdr. Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen II., Vom Nutzen
und Nachteil der Historie für das Leben.
2 Karl Reinhardt, a.a.O.

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