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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0054
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54

Karl Engisch:

zu auch aufklärende Aussagen anderer Menschen gehören können,
zeigen mir, daß das, was im Traume vorging, nur innerlich erlebt
wurde und insoweit auch seinen Wirklichkeitscharakter behält, aber
sich nicht so in der Außenwelt abspielte, wie es mir im Traume der
Fall zu sein schien, so daß ich nun nicht in der Lage bin, das Ge-
träumte zeitlich, räumlich usw. zu lokalisieren, d. h. mit meinen wa-
chen Wahrnehmungen und Erlebnissen in diesen oder jenen Zusam-
menhang zu bringen1.
Wirkenszusammenhänge, naturgesetzliche Zusammenhänge,
,,Erfahrungssätze“ schlagen dann auch vornehmlich die Brücke von
dem in äußerer oder innerer Wahrnehmung unmittelbar Gegebenen
zu dem nicht oder nicht mehr oder wenigstens für ein bestimmtes
Subjekt nicht oder nicht mehr wahrnehmbaren Wirklichen2. Schon
für die Erinnerung kann man behaupten, sie liefere eigentlich nur
in Verbindung mit dem „Erfahrungssatz“, daß sie bis zu einem ge-
wissen Grade frühere Wahrnehmungen und Erlebnisse richtig re-
produziert, ein gültiges Zeugnis vergangener Wirklichkeit. Sehen
wir jedoch hiervon ab, behandeln wir also die Erinnerung gleich der
Wahrnehmung als unmittelbaren Zugang zu den Realitäten, so grei-
fen wir doch zweifellos über das so oder so Gegebene ständig hinaus
in den Bereich nicht wahrgenommener und häufig nicht oder nicht
1 Vgl. Schlick, a.a.O., S. 176: „Ein Traumgesicht wird nach dem Er-
wachen als unwirklich erkannt, weil keine Nötigung besteht, es in bestimmte
Zeitpunkte zu verlegen“. Wie sich sonst noch die wache Wirklichkeit vor der
bloßen Traumwirklichkeit psychologisch auszeichnet, kann hier dahingestellt
bleiben. Für uns genügt es, zu zeigen, wodurch für die wache Wirklichkeit,
deren Vorrang wir nicht bestreiten wollen, die Traumwirklichkeit ungeachtet
der auch in ihr vorkommenden Wahrnehmungen und Erlebnisse zum bloßen
Schein herabsinkt. Siehe auch Jacoby, a.a.O., S. 37ff.; Rickert, a.a.O.,
S. 129ff.
2 Kant, a.a.O.: „Das Postulat, die Wirklichkeit der Dinge zu erkennen,
fordert Wahrnehmung, mithin Empfindung, deren man sich bewußt ist; zwar
nicht eben unmittelbar von dem Gegenstände selbst, dessen Dasein erkannt
werden soll, aber doch Zusammenhang desselben mit irgendeiner wirklichen
Wahrnehmung nach den Analogien der Erfahrung, welche alle reale Verknüp-
fung in einer Erfahrung überhaupt darlegen .... Man kann auch vor der
Wahrnehmung des Dinges . . . das Dasein desselben erkennen, wenn es nur
mit einigen Wahrnehmungen nach den Grundsätzen der empirischen Verknüp-
fung derselben (den Analogien) zusammenhängt“. Vgl. ferner etwa Burkamp
Logik, § 129: „Wir sind nur in einem Zeitpunkt und einem eng begrenzten
Ort des Raums. Was außerhalb dieser so engen Begrenztheit liegt, kann nur
so erkannt werden, daß eine gesetzlich bestimmte Relationenreihe durch Raum
und Zeit hindurch zu unserem jetzigen wirklichen Zustand führt.“
 
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