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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0059
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

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die wir oben ins Auge faßten, als Träger von durch Wahrnehmungen
begründeten Wirklichkeitsaussagen in Frage kommen? Daß sich
nicht nur Dinge, sondern auch Eigenschaften und Ereignisse, nicht
nur Einzelgeschehnisse, sondern auch Zustände und andauernde
Verhältnisse wahrnehmen lassen, wird man freilich nicht bestreiten
wollen, und daß bei Erstreckung des Begriffes der Wahrnehmung
über dieSinneswahrnehmung hinaus auf die ,,innereWahrnehmung“
auch seelische Phänomene und bei Einbeziehung des grundsätzlich
Wahrnehmbaren weiter auch vergangene Tatsachen Gegenstand
der Wahrnehmung sind, wird man ebenfalls hinnehmen. Wie aber
auch negative Tatsachen, Tendenzen, Gesetze, Klassen, Relationen,
Relationen zwischen Klassen, Sinngebilde, korporative Ganzheiten,
Sitten und Gebräuche der Gemeinschaften, die doch alle mitunter
als wirklichkeitsartige Gegenstände angesprochen werden, Gegen-
stand der Wahrnehmung sein sollen, scheint unerfindlich. Wie das
zuvor behandelte Problem der kategorialen Verarbeitung der Wahr-
nehmung zur „Wirklichkeit“, so können wir auch das hier auftan-
chende logisch-erkenntnistheoretische Problem nicht einer ausführ-
lichen Erörterung unterziehen. Wir müssen uns mit folgender Er-
jagen, wenn man sie nicht zu den wirklichkeitsartigen Gegenständen rechnet.
Auch hier darf man nicht folgern: solche Sätze sind aus Wahrnehmungen er-
schlossen und doch nicht wirklich, also ist der Schluß aus der Wahrnehmung
kein Merkmal der Wirklichkeit. Was nicht wirklichkeitsartig ist, kann nicht
wirklich sein. Aber es ist klar, daß dies eine zu billige Lösung des Problems
wäre. Das Wirklichkeitsartige ist ja als solches um deswillen gekennzeichnet,
weil es möglicherweise wirklich ist. Es muß also prinzipiell einem Realitäts-
urteil zugänglich sein. Warum das für das Zukünftige nicht der Fall ist, haben
wir oben dargelegt. Für Wertattribute ist zu sagen, daß sie nicht ,,aus Wahr-
nehmungen erschlossen werden“. Das Werturteil „dieses Bild ist schön“ mag
zwar insofern einem Wahrnehmungsurteil ähnlich sein, als es nur eine Bezie-
hung zwischen Objekt und Subjekt ausdrückt (vgl. auch v. Kries, Logik,
S. 260/61), es mag ferner insofern auf einem Wahrnehmungsurteil aufbauen,
als ich das Bild wahrgenommen haben muß, wenn ich es als schön beurteilen
will, aber diese Beurteilung selbst bedeutet etwas eigenartig Neues, das nicht
schon mit der Wahrnehmung selbst gegeben ist und auch nicht etwa nur eine
logische Verarbeitung der Wahrnehmung, einen „Schluß aus der Wahrneh-
mung“ bedeutet. Nur der Akt des Wertens, nicht das Wertprädikat selbst,
ist Gegenstand der (inneren) Wahrnehmung und insofern haben wir es ja auch
wieder mit einer Tatsache zu tun. Für Erfahrungssätze muß gesagt werden:
Sollten sie wirklichkeitsartige Gegenstände sein, so muß dies in der Tat damit
gerechtfertigt werden, daß sie wie alles Wirkliche mit der Wahrnehmung in
engstem logischen Zusammenhänge stehen, also etwa nur eine Zusammen-
fassung von einzelnen Wahrnehmungen bedeuten. Damit gehen wir schon zur
Erörterung des Textes über.
 
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