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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0065
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

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Urkunden als „sachliche Beweismittel“. Diese übliche Aufzählung
ist aber insofern nicht ganz vollständig, als der Augenschein sich
nicht immer auf „Sachen“ und in diesem beschränkten Sinne auf
Objekte bezieht, sondern auch anf den äußeren Habitus und das
Auftreten von Personen, ferner auf ganze Situationen, vor allem
auf den „Tatort“, die dort bestehenden Entfernungen, Hör-, Sicht-
und Beleuchtungsverhältnisse, die dort hinterlassenen Fußspuren,
Blutflecken, Fingerabdrücke usw. Die Aufzählung ist aber auch
nicht ganz sauber, indem die Urkunden auf die Seite der sachlichen
Beweismittel zu stehen kommen, obwohl sie insofern mehr sind, als
sie durch ihren gedanklichen Inhalt beweisen, also durch die in
ihnen enthaltenen persönlichen Gedanken- und Willensäußerungen,
weshalb man schon sagen konnte, daß die Urkunden eine Verbin-
dung von sachlichem und persönlichem Beweismittel sind1. Indi-
zien sind der gebräuchlichen Bestimmung nach Tatsachen, die nicht
für sich rechtserheblich sind, also nicht dem gesetzlichen Tatbe-
stand irgendeinerRechtsnorm unterfallen, sondern nur einen Schluß
zulassen auf das Vorhandensein oder Vorhandengewesensein rechts-
erheblicher Tatsachen. Es ist nun angeblich „ein logischer Fehler,
wenn man die Indizien als Beweismittel bezeichnet und als solche
mit Zeugen, Urkunden usw. in eine Linie stellt. In Wahrheit sind
sie nicht Beweismittel, sondern Gegenstand der Beweisführung. Tat-
sachen können weder ,geladen1 noch ,herbeigeschafft‘ werden, wie
dies das Gesetz von den Beweismitteln voraussetzt (§ 113 StPO)“2.
In der Tat kann nicht bestritten werden, daß das Gesetz den Aus-
druck „Beweismittel“ in einem Sinne verwendet, der einen Gegen-
satz zu dem Begriffe „Indiz“ bedeutet. Aber unter rein logischem
Gesichtswinkel liegen doch die Dinge folgendermaßen: Ein Beweis-
mittel liefert Beweis nur, indem es benutzt wird. Im eigentlichen
Sinne ist also Beweismittel3 * 5 nicht das Augenscheinsobjekt, die Ur-
1 Vgl. Stein, Grundriß des Zivilprozeßrechts, 3. Aufl. 1928, S. 243.
Siehe auch die Kritik von Beling, a.a.O., der schließlich die Beweismittel
so einteilt, daß „auf die eine Seite die einfachen Wahrnehmungsobjekte ( -
Augenscheinsobjekte) zu liegen kommen, auf die andere aber die Wahrneh-
mungsobjekte mit Äußerungsgehalt, also die persönlichen Beweismittel (vox
viva) zusammen mit den Urkunden (vox mortua)“. So auch Gold Schmidt,
a.a.O., S. 437 Anm. 2295 a.
2 So von Kries, a.a.O., S. 333/34. Vgl. auch etwa Hellwig, System
des Zivilprozeßrechts I, 1912, S. 679/80.
3 Der Ausdruck „Mittel“ ist ja allgemein zweideutig. Bald bedeutet
„Mittel“ ein Objekt, das für einen Zweck benutzt wird, bald eine Handlung,
5 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1941/42. 5. Abh.
 
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