Logische Studien zur Gesetzesanwendung
67
selbst nimmt also Tatsachen wahr (siehe dazu genauer unten S. 72)
durch Vernehmung von Auskunftspersonen, Besichtigung von Sa-
chen und Situationen, Benutzung von Urkunden usw., und er
schließt von diesen Tatsachen auf das Vorliegen anderer Tatsachen,
die erfahrungsgemäß mit den ersteren verknüpft sind. Dabei sind
die „Erfahrungsregeln“, die die Brücke vom Wahrgenommenen
zum Nichtwahrgenommenen schlagen, vor allem Kausalrelationen,
aber doch nicht nur solche. Abgesehen davon, daß gelegentlich
auch apriorische Beziehungen für einen Indizienschluß von Bedeu-
tung werden (worüber noch unten), spielen eine große Bolle für den
Beweis aus Indizien die Zeichen- und Ausdrucksbeziehungen, deren
Unterordnung unter die Kausalbeziehungen zum mindesten zwei-
felhaft ist. Vernehme ich etwa eine Person, um von ihr etwas über
ihre Wahrnehmungen zu erfahren, so liefert sie meiner unmittelba-
ren Auffassung nur Aussagen, die es zunächst einmal als Zeichen
desjenigen Aussagesinns zu deuten gilt, der die Wahrnehmungen
der Auskunftsperson darzustellen berufen ist. Der Zeuge sagt et-
wa: „ich habe gesehen, daß A den B geschlagen hat“ und liefert da-
mit der unmittelbaren Wahrnehmung des Beweiserhebenden einen
Satz, also ein Zeichenkomplex, der ein Urteil über Wahrnehmun-
gen bzw. Erinnerungen des Zeugen beinhaltet und in diesem Sinne
zu deuten ist. Erst aufgrund dieser Deutung kann festgestellt wer-
den, daß bei dem Zeugen eine Erinnerung vorhanden ist, die auf
früher gemachte Wahrnehmungen zurückweist, welche ihrerseits
auf die Realität des wahrgenommenen Vorganges schließen lassen.
Mögen nun auch die letzteren Schlüsse bei genügend weitem Kau-
salbegriff und bei Zugrundelegung der natürlichen Auffassung, daß
die Erinnerungsbilder durch die Wahrnehmungsbilder und die letz-
teren durch die realen Vorgänge selbst „erzeugt“ werden1, solche
von der Wirkung auf die Ursache sein, so ist doch die Interpreta-
tion der Aussage der Auskunftsperson auch für eine natürliche er-
kenntnis-theoretisch nicht angekränkelte Auffassung möglicher-
weise anders geartet. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung
überschreiten, wollte ich diese „Zeichenbeziehung“ selbst einer Be-
trachtung unterwerfen. Es genügt, auf sie als eine eigentümliche
Grundlage des Indizienbeweises hingewiesen zu haben. Von den
„Zeichenbeziehungen“, die zwischen einzelnen Zeichen und ganzen
1 Freilich kann auch diese natürliche Auffassung kritisch angefochten
werden. Siehe z. B. Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen III, 1929,
S. 375 ff.
67
selbst nimmt also Tatsachen wahr (siehe dazu genauer unten S. 72)
durch Vernehmung von Auskunftspersonen, Besichtigung von Sa-
chen und Situationen, Benutzung von Urkunden usw., und er
schließt von diesen Tatsachen auf das Vorliegen anderer Tatsachen,
die erfahrungsgemäß mit den ersteren verknüpft sind. Dabei sind
die „Erfahrungsregeln“, die die Brücke vom Wahrgenommenen
zum Nichtwahrgenommenen schlagen, vor allem Kausalrelationen,
aber doch nicht nur solche. Abgesehen davon, daß gelegentlich
auch apriorische Beziehungen für einen Indizienschluß von Bedeu-
tung werden (worüber noch unten), spielen eine große Bolle für den
Beweis aus Indizien die Zeichen- und Ausdrucksbeziehungen, deren
Unterordnung unter die Kausalbeziehungen zum mindesten zwei-
felhaft ist. Vernehme ich etwa eine Person, um von ihr etwas über
ihre Wahrnehmungen zu erfahren, so liefert sie meiner unmittelba-
ren Auffassung nur Aussagen, die es zunächst einmal als Zeichen
desjenigen Aussagesinns zu deuten gilt, der die Wahrnehmungen
der Auskunftsperson darzustellen berufen ist. Der Zeuge sagt et-
wa: „ich habe gesehen, daß A den B geschlagen hat“ und liefert da-
mit der unmittelbaren Wahrnehmung des Beweiserhebenden einen
Satz, also ein Zeichenkomplex, der ein Urteil über Wahrnehmun-
gen bzw. Erinnerungen des Zeugen beinhaltet und in diesem Sinne
zu deuten ist. Erst aufgrund dieser Deutung kann festgestellt wer-
den, daß bei dem Zeugen eine Erinnerung vorhanden ist, die auf
früher gemachte Wahrnehmungen zurückweist, welche ihrerseits
auf die Realität des wahrgenommenen Vorganges schließen lassen.
Mögen nun auch die letzteren Schlüsse bei genügend weitem Kau-
salbegriff und bei Zugrundelegung der natürlichen Auffassung, daß
die Erinnerungsbilder durch die Wahrnehmungsbilder und die letz-
teren durch die realen Vorgänge selbst „erzeugt“ werden1, solche
von der Wirkung auf die Ursache sein, so ist doch die Interpreta-
tion der Aussage der Auskunftsperson auch für eine natürliche er-
kenntnis-theoretisch nicht angekränkelte Auffassung möglicher-
weise anders geartet. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung
überschreiten, wollte ich diese „Zeichenbeziehung“ selbst einer Be-
trachtung unterwerfen. Es genügt, auf sie als eine eigentümliche
Grundlage des Indizienbeweises hingewiesen zu haben. Von den
„Zeichenbeziehungen“, die zwischen einzelnen Zeichen und ganzen
1 Freilich kann auch diese natürliche Auffassung kritisch angefochten
werden. Siehe z. B. Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen III, 1929,
S. 375 ff.