Metadaten

Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0077
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Logische Studien zur Gesetzesanwendung

77

Stelle grundsätzlich für uns: Wenn der zu erweisende Sachverhalt
als Ursache oder Wirkung bestimmter Indizien dargetan werden
soll, so muß er seinerseits mit allen bekannten Umständen harmo-
nieren, er muß sich ungezwungen als eine die gesamten Umstände
vollständig erklärendeUrsache bzw. Wirkung in den Zusammenhang
der Begebenheiten einordnen lassen. Er muß wie ein Schlüssel pas-
sen und den Weg zur Aufklärung freimachen1.
3. Ohne scharfe Trennung von dem vorigen Gesichtspunkt
kommt dann weiter der folgende in Betracht: „Mehrere an sich we-
nig bedeutende, aber von einander unabhängige Tatsachen können
unter Umständen eine sehr starke Wahrscheinlichkeit für eine an-
dere, noch nicht festgestellte Tatsache begründen“2. Denken wir hier
noch einmal an unser Ausgangsbeispiel. Die Geldverlegenheit und
ihre Behebung allein, das Zusammensein des Täters mit dem Opfer
kurz vor der Ermordung für sich genommen, die Blutspuren als sol-
che müssen kein Grund sein, um den die Tat leugnenden Angeklag-
ten für überführt zu erachten. Denn für jedes dieser Indizien lassen
sich in glaubhafter Weise noch andere Kausalzusammenhänge als
die mit der behaupteten Tat denken: der Angeklagte hat sich Geld
durch ein Darlehen bei einem Wucherer, dem er Schweigen verspro-
1 Treffend Gla.ser, S. 744/45: Es muß eine „letzte entscheidende Probe
hinzukommen . . . Die Tatsache, welche durch Wahrscheinlichkeitsgründe
glaubhaft gemacht ist, wird nun hypothetisch angenommen und in die Gesamt-
heit der bekannten Umstände des aufzuklärenden Vorfalls eingefügt gedacht.
Zeigt sich nun dabei, daß sie mit ihnen in vollem Einklang steht, daß sie
sogar diesen Einklang bekannter Tatsachen untereinander erst herstellt, daß
diese durch die Annahme ihrer Wahrheit ihre volle und ausreichende Erklä-
rung finden, während dafür ohne jene eine Erklärung . . . nicht zu finden
wäre: dann liegt in diesem Hineinpassen der vorläufig hypothetisch angenom-
menen Tatsache ... in das Gewebe der mit dem Vorfall zusammenhängenden
bekannten Tatsachen . . . die überzeugende Kraft des Indizienbeweises“. Ähn-
lich Rumpf, S. 187. Siehe auch Sigwart, S. 623 Abs. 2: Die „Probe“ besteht
darin, „ob nicht aus dem angenommenen A Folgen hervorgehen müßten, die
irgendeinem Tatbestand widersprechen“.
2 Bierling S. 117. Siehe auch Glaser, S. 746/47 und Lotze, der ins-
besondere auf das Requisit der Unabhängigkeit der Indizien voneinander mit
folgenden Worten hinweist: „Nicht die Menge der Indizien überhaupt, son-
dern nur die der voneinander unabhängigen hat Wert für unsere Entschei-
dung“. In diesem Sinne sind in unserem Beispiel nicht ohne weiteres von-
einander unabhängig das Zusammensein des Beschuldigten mit dem Opfer in
einem Gasthaus kurz vor dem Mord und die Abwesenheit des Beschuldigten
von zu Hause zur Tatzeit (wenn nämlich der Beschuldigte auch aus dem Gast-
haus noch gar nicht wieder zu Hause sein konnte).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften