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Karl Engisch:
sichtspunkten Tat- und Rechtsfrage trennt. Und es ist weiter mög-
lich, daß die Grenzziehung zwischen diesen beiden Fragen eine rela-
tive ist d. h. verschieden ausfällt, je nachdem um welchen recht-
lichen Zusammenhang es sich handelt, ob also z. B. um den des Irr-
tums des Täters über seine Tat oder den der Revisibilität . Wir wer-
den später sehen, daß diese Möglichkeiten tatsächlich zutreffen.
Doch wenden wir uns zunächst dem logischen Problem für sich zu.
Dieses Problem gilt es zunächst vor gewissen Verwechslungen zu
bewahren.
Zuvörderst ist noch einmal daran zu erinnern, daß wir für
die logische Betrachtung des Untersatzes rechtliche Regeln, die die
Beweiserhebung durch Grundsätze über Beweisbedürftigkeit, Ver-
mutungen, Beweisverbote einengen, unberücksichtigt lassen (vgl.
oben S.61f.). Gewiß können diese rechtlichen Regeln dieTatsachen-
feststellung berühren, und insofern scheint ein Zusammenhang von
Tat- und Rechtsfrage gegeben zu sein. Das Bild vom wirklichen
Sachverhalt kann sich ja erheblich verschieben, wenn ein Geständ-
nis oder eine Vermutung den Urteiler bindet, oder wenn die Beweis-
erhebung eingeschränkt ist auf die angebotenen Beweise, oder wenn
die Benutzung bestimmter Beweismittel untersagt ist (s. z. B. § 252
StPO.). Aber die logische Struktur der Tatsachenfeststellung wird
durch die Einengung oder Veränderung der Tatsachen-, insonder-
heit der Indizienbasis nicht beeinflußt. Die Tatsachenermittlung
wächst hier nicht mit der „rechtlichen Erwägung“ zusammen, son-
dern ist und bleibt das, als was sie sich bisher darstellte. Immer
handelt es sich für sie darum, anhand des zur Verfügung stehenden
Wahrnehmungsmaterials Beobachtungen zu machen und Schlüsse
zu ziehen.
Eine engere Verschlingung von Tat- und Rechtsfrage mag sich
schon ergeben, wenn die prozessualen Beweisnormen die Art und
Weise der Tatsachenfeststellung selbst betreffen, also z. B. die Art
und Weise der Zeugenverwertung (Prinzip der Unmittelbarkeit!)
oder der Beweiswürdigung (Beweisregeln!, bei denen aber zu be-
achten ist, daß sie, weit entfernt etwas an den logischen Prinzipien
zu ändern, diese geradezu voraussetzen und höchstens die Lebens-
erfahrung vergewaltigen). Aber auch mit dieser Verknüpfung von
Tat- und Rechtsfrage haben wir es jetzt nicht zu tun. Und zwar
auch dann nicht, wenn man den Irrtum über den Wahrscheinlich-
keitsgrad, der zur Annahme einer „juristischen Gewißheit“ oder
einer „historischenGewißheit“ erforderlich ist, als einen „revisiblen“
Karl Engisch:
sichtspunkten Tat- und Rechtsfrage trennt. Und es ist weiter mög-
lich, daß die Grenzziehung zwischen diesen beiden Fragen eine rela-
tive ist d. h. verschieden ausfällt, je nachdem um welchen recht-
lichen Zusammenhang es sich handelt, ob also z. B. um den des Irr-
tums des Täters über seine Tat oder den der Revisibilität . Wir wer-
den später sehen, daß diese Möglichkeiten tatsächlich zutreffen.
Doch wenden wir uns zunächst dem logischen Problem für sich zu.
Dieses Problem gilt es zunächst vor gewissen Verwechslungen zu
bewahren.
Zuvörderst ist noch einmal daran zu erinnern, daß wir für
die logische Betrachtung des Untersatzes rechtliche Regeln, die die
Beweiserhebung durch Grundsätze über Beweisbedürftigkeit, Ver-
mutungen, Beweisverbote einengen, unberücksichtigt lassen (vgl.
oben S.61f.). Gewiß können diese rechtlichen Regeln dieTatsachen-
feststellung berühren, und insofern scheint ein Zusammenhang von
Tat- und Rechtsfrage gegeben zu sein. Das Bild vom wirklichen
Sachverhalt kann sich ja erheblich verschieben, wenn ein Geständ-
nis oder eine Vermutung den Urteiler bindet, oder wenn die Beweis-
erhebung eingeschränkt ist auf die angebotenen Beweise, oder wenn
die Benutzung bestimmter Beweismittel untersagt ist (s. z. B. § 252
StPO.). Aber die logische Struktur der Tatsachenfeststellung wird
durch die Einengung oder Veränderung der Tatsachen-, insonder-
heit der Indizienbasis nicht beeinflußt. Die Tatsachenermittlung
wächst hier nicht mit der „rechtlichen Erwägung“ zusammen, son-
dern ist und bleibt das, als was sie sich bisher darstellte. Immer
handelt es sich für sie darum, anhand des zur Verfügung stehenden
Wahrnehmungsmaterials Beobachtungen zu machen und Schlüsse
zu ziehen.
Eine engere Verschlingung von Tat- und Rechtsfrage mag sich
schon ergeben, wenn die prozessualen Beweisnormen die Art und
Weise der Tatsachenfeststellung selbst betreffen, also z. B. die Art
und Weise der Zeugenverwertung (Prinzip der Unmittelbarkeit!)
oder der Beweiswürdigung (Beweisregeln!, bei denen aber zu be-
achten ist, daß sie, weit entfernt etwas an den logischen Prinzipien
zu ändern, diese geradezu voraussetzen und höchstens die Lebens-
erfahrung vergewaltigen). Aber auch mit dieser Verknüpfung von
Tat- und Rechtsfrage haben wir es jetzt nicht zu tun. Und zwar
auch dann nicht, wenn man den Irrtum über den Wahrscheinlich-
keitsgrad, der zur Annahme einer „juristischen Gewißheit“ oder
einer „historischenGewißheit“ erforderlich ist, als einen „revisiblen“