Logische Studien zur Gesetzesanwendung
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Wurzel, Das juristische Denken, 2. Auflage, 1924, S. 75). Zurückhal-
tender äußert sich Mezger. Er gibt zu, daß die Durchführung der Tren-
nung von tatsächlicher Feststellung und wertender Betrachtung „in vie-
len Fällen schwierig, ja unmöglich“ sei, meint aber, daß angesichts der
gesetzlichen Trennung der beiden Fragen die Wissenschaft bemüht sein
müsse, die Scheidung soweit als möglich durchzuführen (a.a. O., S. 134 ff.
mit guten Beispielen), wie übrigens auch Mannheim meint, daß die Ein-
sicht in die Verflochtenheit von Tatsachenfeststellung und Tatsachen-
bewertung nicht dazu führen dürfe, „die theoretische Scheidungsmög-
lichkeit von Tatsachenfeststellung und rechtlichem Werturteil überhaupt
zu leugnen“ und jedenfalls die Praxis nicht hindern könne, „dem Ge-
setze, das die Trennbarkeit voraussetzt und wohl auch voraussetzen muß,
gerecht zu werden“ (a.a.O. S. 61).
Tatsächlich wird man wenigstens versuchen müssen, für die
Fälle, in denen sich Tat- und Rechtsfrage klar von einander son-
dern lassen, das Kriterium der Trennung zu finden, und für die
Fälle, wo alle Unterscheidungskunst versagt, den Grund dafür auf-
zudecken. Dabei müssen wir, wie schon betont, den Gesichtspunkt
im Auge behalten, daß wir es jetzt nicht mit einer juristischen,
sondern mit einer logischen Frage zu tun haben. Das hindert uns
nicht, uns die prinzipiellen Erwägungen nutzbar zu machen, die
juristische Schriftsteller bei der Behandlung der juristischen Frage
angestellt haben.
Wir knüpfen an eines der obigen Beispiele an. Ob A und kein
anderer einen bestimmten tödlichen Schuß auf X abgefeuert hat,
ist zweifellos Tatfrage, desgleichen was A sich gegebenenfalls da-
bei gedacht und was er gefühlt hat. Ob dann diese Vorstellungen
und Gefühle hinreichen, um den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung
gegen A zu erheben, ist Rechtsfrage. Natürlich liegt es gerade für
uns nahe zu sagen: im einen Falle handelt es sich eben um Beweis
im oben entwickelten Sinne, also um Wahrnehmung oder um Schlüsse
von wahrnehmungsmäßig gegebenen Tatsachen auf andere Tat-
sachen vermittels Erfahrung. Im anderen Falle dagegen handelt
es sich um Subsumtion, also nach dem oben Gesagten um Gleich-
setzung des als wirklich vorgestellten Sachverhalts mit den Sach-
verhalten, die im gesetzlichen Tatbestand gemeint sind. Oder mit
Jaehner zu reden: die Tatsachenfeststellung ist nur „geschicht-
liche Untersuchung der Vorgänge, ohne Beziehung zu deren Ein-
reihung in bestimmte Typen (rechtliche Würdigung)“ (a. a. 0. S.
186). Und wenn sich unsere Aufstellungen über Wirklichkeit, Tat-
sachenbeweis und Subsumtion bewähren sollen, so müssen sie sich
in der Tat hier bewähren. Woher wissen wir, daß A den Schuß ab-
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Wurzel, Das juristische Denken, 2. Auflage, 1924, S. 75). Zurückhal-
tender äußert sich Mezger. Er gibt zu, daß die Durchführung der Tren-
nung von tatsächlicher Feststellung und wertender Betrachtung „in vie-
len Fällen schwierig, ja unmöglich“ sei, meint aber, daß angesichts der
gesetzlichen Trennung der beiden Fragen die Wissenschaft bemüht sein
müsse, die Scheidung soweit als möglich durchzuführen (a.a. O., S. 134 ff.
mit guten Beispielen), wie übrigens auch Mannheim meint, daß die Ein-
sicht in die Verflochtenheit von Tatsachenfeststellung und Tatsachen-
bewertung nicht dazu führen dürfe, „die theoretische Scheidungsmög-
lichkeit von Tatsachenfeststellung und rechtlichem Werturteil überhaupt
zu leugnen“ und jedenfalls die Praxis nicht hindern könne, „dem Ge-
setze, das die Trennbarkeit voraussetzt und wohl auch voraussetzen muß,
gerecht zu werden“ (a.a.O. S. 61).
Tatsächlich wird man wenigstens versuchen müssen, für die
Fälle, in denen sich Tat- und Rechtsfrage klar von einander son-
dern lassen, das Kriterium der Trennung zu finden, und für die
Fälle, wo alle Unterscheidungskunst versagt, den Grund dafür auf-
zudecken. Dabei müssen wir, wie schon betont, den Gesichtspunkt
im Auge behalten, daß wir es jetzt nicht mit einer juristischen,
sondern mit einer logischen Frage zu tun haben. Das hindert uns
nicht, uns die prinzipiellen Erwägungen nutzbar zu machen, die
juristische Schriftsteller bei der Behandlung der juristischen Frage
angestellt haben.
Wir knüpfen an eines der obigen Beispiele an. Ob A und kein
anderer einen bestimmten tödlichen Schuß auf X abgefeuert hat,
ist zweifellos Tatfrage, desgleichen was A sich gegebenenfalls da-
bei gedacht und was er gefühlt hat. Ob dann diese Vorstellungen
und Gefühle hinreichen, um den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung
gegen A zu erheben, ist Rechtsfrage. Natürlich liegt es gerade für
uns nahe zu sagen: im einen Falle handelt es sich eben um Beweis
im oben entwickelten Sinne, also um Wahrnehmung oder um Schlüsse
von wahrnehmungsmäßig gegebenen Tatsachen auf andere Tat-
sachen vermittels Erfahrung. Im anderen Falle dagegen handelt
es sich um Subsumtion, also nach dem oben Gesagten um Gleich-
setzung des als wirklich vorgestellten Sachverhalts mit den Sach-
verhalten, die im gesetzlichen Tatbestand gemeint sind. Oder mit
Jaehner zu reden: die Tatsachenfeststellung ist nur „geschicht-
liche Untersuchung der Vorgänge, ohne Beziehung zu deren Ein-
reihung in bestimmte Typen (rechtliche Würdigung)“ (a. a. 0. S.
186). Und wenn sich unsere Aufstellungen über Wirklichkeit, Tat-
sachenbeweis und Subsumtion bewähren sollen, so müssen sie sich
in der Tat hier bewähren. Woher wissen wir, daß A den Schuß ab-