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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0099
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

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auch eine Rolle gespielt in der Geschichte des schwurgerichtlichen
Verfahrens. Mannheims Kritik (S. 66 ff.) ist hier nur teilweise be-
gründet. Gewiß sind alle vom Gesetz verwendeten Begriffe Rechts-
begriffe. Das schließt aber nicht aus, daß Legaldefinitionen oder
wissenschaftliche Definitionen auf solche Begriffe hinführen, die zu-
gleich einen bestimmten natürlichen tatsächlichen Inhalt haben,
z. B. Tod, 9 Uhr, Gleichgültigkeit, 60 km, ein Kilo, eine Flasche
Wein, 1/50 der früheren Sehschärfe, Gefahr, Grad der Wahrschein-
lichkeit eines Erfolges usw.1. Die Feststellung, daß diese Begriffe
in concreto zutreffen, daß jemand tot ist, daß eine Durchsuchung
nach 9 Uhr abends erfolgte usw., kann dann als Tatsachenfeststel-
lung klar geschieden werden von der Frage, ob die festgestellte
Begebenheit den vom gesetzlichen Tatbestand gemeinten Fällen
gleichzuachten ist (Subsumtionsfrage). Insofern hat Mannheim un-
recht, wenn er sagt (S. 70): „Für die grundsätzliche Bewertung der
Subsumtionstätigkeit ist es gleichgültig, ob unter die vom Gesetz
verwendeten Begriffe oder unter die den Gesetzesbegriff ersetzen-
den Begriffe subsumiert wird“. Sind die im Gesetzesbegriff erset-
zenden Begriffe von der geschilderten Art, so ist eben zu ihrer An-
wendung bei der Tatsachenfeststellung nicht mehr eine Vergegen-
wärtigung der vom gesetzlichen Tatbestand gemeinten Fälle und
ein Vergleich mit diesen erforderlich. Mit der Subordination be-
stimmter durch Tatsachenbegriffe definierter Fallgruppen und der
Subsumtion einzelner in Tatsachenbegriffen beschriebener Fälle ist
die Rechtsfrage erledigt. Die Tatfrage hat sich von der Rechts-
frage getrennt. Hier schlägt dann auch nicht die Begründung durch,
die Radbruch seiner These von der Undurchführbarkeit der Tren-
nung von Tat- und Rechtsfrage gegeben hat: die Begriffe, aus denen
die gesetzlichen Tatbestände aufgebaut sind, entsprechen sozialen
Begriffen vorrechtlicher Art und „so erscheinen übereinstimmende
Begriffe bei der Beantwortung der Tat- und bei der Beantwortung
der Rechtsfrage, es wird zu einer Sache des Beliebens, ob man die
Anwendung solcher Begriffe als tatsächliche Feststellung oder als
1 Die Beispiele, die Schwinge, S. 115/16 anführt, um zu beweisen, daß
„ein grundsätzlicher Unterschied zwischen bestimmten und unbestimmten Be-
griffen nicht gemacht werden kann“, daß es sich dabei nur um einen quantita-
tiven Unterschied handle, sind insofern hier nicht im Wege, als solche Rechts-
begriffe (Tatbestandsmerkmale) aufgezählt werden die auch ich niemals als
bestimmte Begriffe ansehen würde wie „Angehöriger“, „Dienstbote“, „Ge-
heimnis“, „Gebäude“, „bewegliche Sache“. Für mich handelt es sich um be-
stimmte natürliche Begriffe.
 
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