I. DAS MYTHISCHE WELTBILD
Zur Erdkunde des Altertums gibt auch die hebräische Literatur
einen Beitrag.
Der geographische Horizont der Israeliten ist begrenzt, wie der
aller Völker, die nicht durch Seefahrt oder Eroberung mit entlegenen
Ländern in Berührung gekommen sind.
Die Erde ist für den israelitischen Bauern das „Ackerland“;
Mensch (’ädäm) und Acker (’ädämä) gehören zusammen1. Über das
Ackerland haben die Menschen sich ausgebreitet (Gen 6X); „alle Ge-
schlechter des Ackerlandes“ (123) bedeutet die Menschheit. Über
dem Ackerland spannt sich das Gewölbe des Himmels, eine feste
Glocke, am Horizont ringsum die Erde berührend. Der Himmel ist
die Wohnung der Gottheit, Jahves und seiner göttlichen Umgebung
(6X 117). Von dort schickt Jahve den befruchtenden Regen, der das
Kraut des Ackers sprossen läßt; von da ließ er einst Schwefel und
Feuer regnen, die Frevler auf Erden zu strafen (1924).
Aus Erde hat Jahve den Menschen gemacht: vom Acker ist der
Mensch genommen, zum Acker kehrt er zurück (Gen 27 319). Dauern-
des Leben auf dem Ackerland hat der einzelne nicht, nur das Ge-
schlecht. Darum wünscht ein Mann, daß die „glühende Kohle“ nicht
erlösche, daß, wenn er selber bei seinen Vätern im Grabe ruht, „Na-
me und Nachkommenschaft auf dem Ackerland“ erhalten bleibe
(2. Sam 147). Er pflegt das Andenken der Ahnen an ihrem Grabe,
sorgt durch mancherlei Bräuche und Opfer für die Ruhe ihrer See-
len; dort sammelt sich am Jahrestag das Geschlecht zur Totenfeier
(1. Sam 206.29).
Jenseits dieser Welt der Lebenden liegt unten im Schoß der
Erde das Land der Toten, Se’öl2, ein Land des Dunkels, in dem die
1 Der sachliche Zusammenhang von ’ädäm und ’ädämä ist ersichtlich,
und daß ’ädämä das Abgeleitete ist, muß als wahrscheinlich angenommen wer-
den. Die Etymologie von ’ädäm ist unbekannt. In der Regel (Fleischer, Nöl-
deke) trennt man ’ädämä von ’ädäm und leitet ersteres von arab. ’adama
„Haut, Rinde“ = „Oberfläche“ ab. Friehr. Delitzsch erschließt eine assy-
rische Wurzel ’dm „bauen“, die aber nicht bezeugt ist, und erklärt hebr.
’ädämä, mit Übertragung der germanischen Bedeutungsentwicklung von „bau-
en“, als „bebautes Land“. Brockelmann (Grundriß der vergleichenden
Grammatik der semitischen Sprachen I 166) stellt ’ädäm zu arab. ’anäm und
assyr. amelu.
2 Der Name Sche’öl ist schon kanaanäisch, vgl. Lidzbarski, Handbuch
der semitischen Epigraphik 371. Auch die vorislamischen Araber kennen die
Vorstellung eines Totenreiches (sa’üb).
Zur Erdkunde des Altertums gibt auch die hebräische Literatur
einen Beitrag.
Der geographische Horizont der Israeliten ist begrenzt, wie der
aller Völker, die nicht durch Seefahrt oder Eroberung mit entlegenen
Ländern in Berührung gekommen sind.
Die Erde ist für den israelitischen Bauern das „Ackerland“;
Mensch (’ädäm) und Acker (’ädämä) gehören zusammen1. Über das
Ackerland haben die Menschen sich ausgebreitet (Gen 6X); „alle Ge-
schlechter des Ackerlandes“ (123) bedeutet die Menschheit. Über
dem Ackerland spannt sich das Gewölbe des Himmels, eine feste
Glocke, am Horizont ringsum die Erde berührend. Der Himmel ist
die Wohnung der Gottheit, Jahves und seiner göttlichen Umgebung
(6X 117). Von dort schickt Jahve den befruchtenden Regen, der das
Kraut des Ackers sprossen läßt; von da ließ er einst Schwefel und
Feuer regnen, die Frevler auf Erden zu strafen (1924).
Aus Erde hat Jahve den Menschen gemacht: vom Acker ist der
Mensch genommen, zum Acker kehrt er zurück (Gen 27 319). Dauern-
des Leben auf dem Ackerland hat der einzelne nicht, nur das Ge-
schlecht. Darum wünscht ein Mann, daß die „glühende Kohle“ nicht
erlösche, daß, wenn er selber bei seinen Vätern im Grabe ruht, „Na-
me und Nachkommenschaft auf dem Ackerland“ erhalten bleibe
(2. Sam 147). Er pflegt das Andenken der Ahnen an ihrem Grabe,
sorgt durch mancherlei Bräuche und Opfer für die Ruhe ihrer See-
len; dort sammelt sich am Jahrestag das Geschlecht zur Totenfeier
(1. Sam 206.29).
Jenseits dieser Welt der Lebenden liegt unten im Schoß der
Erde das Land der Toten, Se’öl2, ein Land des Dunkels, in dem die
1 Der sachliche Zusammenhang von ’ädäm und ’ädämä ist ersichtlich,
und daß ’ädämä das Abgeleitete ist, muß als wahrscheinlich angenommen wer-
den. Die Etymologie von ’ädäm ist unbekannt. In der Regel (Fleischer, Nöl-
deke) trennt man ’ädämä von ’ädäm und leitet ersteres von arab. ’adama
„Haut, Rinde“ = „Oberfläche“ ab. Friehr. Delitzsch erschließt eine assy-
rische Wurzel ’dm „bauen“, die aber nicht bezeugt ist, und erklärt hebr.
’ädämä, mit Übertragung der germanischen Bedeutungsentwicklung von „bau-
en“, als „bebautes Land“. Brockelmann (Grundriß der vergleichenden
Grammatik der semitischen Sprachen I 166) stellt ’ädäm zu arab. ’anäm und
assyr. amelu.
2 Der Name Sche’öl ist schon kanaanäisch, vgl. Lidzbarski, Handbuch
der semitischen Epigraphik 371. Auch die vorislamischen Araber kennen die
Vorstellung eines Totenreiches (sa’üb).