Metadaten

Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0009
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das mythische Weltbild

9

Wasser unter der Erde sind“. Das Wasser unter der Erde, in dem
die Fische leben, ist also eins mit dem Meer. Jahve hat Himmel,
Erde, Meer und alles, was darin ist, gemacht1. Diese unterirdische
und die Erde rings umgebende Flut ist Tehöm, der Abgrund
(άβυσσος)2. Im Anfang war das Chaos (töhü wäböhü); Finsternis
war über Tehöm und der Geist Gottes schwebte über den Wassern
(Gen 12). Da schuf Gott das Licht und setzte eine Grenze zwischen
Licht und Finsternis, sodaß Tag und Nacht entstanden; darnach
schuf er das Firmament (räqTa), die Himmelsfeste zwischen den
oberen und den unteren Wassern, und schließlich teilte er das Was-
ser unter dem Himmel und es schieden sich Festland und Meer (Gen
^3—io)3·
Die Vorstellung des himmlischen Wassers ist eine mythische
Antwort auf die Frage nach derHerkunft des Regens. Wie der Ara-
ber die Wolken Wassersäcke nennt, so reden die hebiäischen Dich-
ter von Schläuchen, Krügen, Speichern oder Kammern, in denen
Regen, Schnee, Hagel oder die Winde im Himmel aufbewahrt wer-
den4. Jahve, wenn er im Himmel donnert, thront über den Wassern
(Ps 293), über der Flut, mabbül (Ps 2910)5, und der Dichter, der zum
Lobpreis Gottes auffordert, kann sagen: „Preiset, ihr Himmel der
Himmel und ihr Wasser über den Himmeln!“ (Ps 1484).
Die Vorstellung des überirdischen Wassers spielt für das Welt-
bild im Ganzen eine untergeordnete Rolle. Anders die vom Wasser
der Tiefe. Ps 242 heißt es von der Erde, daß Jahve „sie auf Meeren
gegründet, auf Ströme gestellt hat“, und Ps 1366 sagt, sie sei über
dem Wasser „festgestampft“. Gern malen die Dichter diese Schöp-
fungstat in mythischen Farben aus: wie der Drache des Urwassers
sich einst empörte und Jahve ihn bezwang, wie Jahve Himmel und
Erde schuf und dem Meer seine Grenzen setzte6. Auch der Name
des Urwassers Tehöm erweist sich, wie Se’öl, durch seine Artikel-
losigkeit als ursprünglicher Eigenname, wird aber im Hebräischen
nicht mehr, wie Tiämat im babylonischen Schöpfungsepos, als my-
1 Ex 20u Ps 146g vgl. Neh 96.
2 Sir 13 1618.
3 Davon abhängig I Hen 548, IV Esr 641. Vgl. auch I Hen 66x 6917, wo
vom Wasser unter, bzw. über der Erde die Rede ist.
4. Jer 1013 5116 Ps 33, 1357 lob 379 3822. 37, vgl. I Hen 547 8.
5 Ähnlich bei den Babyloniern das Bild des über den Wassern thronenden
Sonnengottes (Gutiie, Bibelwörterbuch 67).
6 Jes 51g_10 Ps 7413_17 1045_9 lob 38c_u, vgl. auch Jer 522 Prov 829
Ps 8910 Geb Man 3.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften