Metadaten

Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0013
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das mythische Weltbild

13

wenn Jerusalem „der Nabel der Erde“ heißt1; es ist die Vorstellung
von dem Heiligtum des Gottes im Mittelpunkt der Erde.
Ein alles Dasein umfassendes Wort für „Weit“ gibt es im He-
bräischen nicht. Auch der in der jüngeren Literatur gebrauchte Aus-
druck „das Ganze“ (hakköl) bezeichnet nicht das Weltall in unse-
rem Sinne, sondern die Gesamtheit der Dinge2. Dasselbe ist auch im
Akkadischen und Sumerischen der Fall3, und ebenso im Griechi-
schen4. Das Späthebräische ersetzt den Mangel durch das Wort
Alärn, welches im älteren Hebräischen die „Zeit“ bedeutet und
zwar — im. Unterschied von "et, der bestimmten und begrenzten
Zeit -—· die Zeit in ihrer nach rückwärts und vorwärts unbegrenz-
ten Dauer, sowohl die graue Vorzeit, wie auch die unbegrenzte Zu-
kunft, die Ewigkeit5. So entwickelt sich aus dem Begriff der Welt-
zeit Aläm ( = αιών, saeculum6) der Begriff der Welt, und das Wort
wird in dieser Bedeutung aus dem Hebräischen ins Syrische, A abi-
sche und Aethiopische übernommen; aber auch hier, wo es sich dem
Begriff des Kosmos vielfach assimiliert, bewahrt es irgendwie eine
Beziehung zum zeitlichen Geschehen.
1 Hes 3812 Jub 819 vgl. Hes 55 I Hen 264. Vgl. S. 57.
2 Jer 1016 Ps 10319 Ko-h 115; so auch in der Bezeichnung Gottes als „Gott
aller Dinge“ Sir 334 4523 5 0 2 Lxx; vgl. Rm 95. Denselben Sinn hat im Akkadi-
schen kullatu und g'imru. Die griechischen Übersetzer geben hakköl fast immer
durch τά πάντα wieder (nur Est Zus. 32 Sir 4217 4327 durch τό παν).
3 Vgl. Jensen, a.a.O., S. 1.
4 Bei den Griechen gibt es vor der philosophischen Spekulation kein zu-
sammenfassendes Wort für „Welt“. Aber schon in der ältesten ionischen Na-
turphilosophie findet sich τό παν (τά πάντα); daneben gebraucht man το ολον
(τά δλα). Der Begriff κόσμος entsteht im Gegensatz zu dem des χάος. Vgl.
Diogenes Laertius VIII 48 (von Pythagoras): ’αλλά μήν καί τον ούραν ν πρώτον
όνομάσαι κόσμον καί την γην στρογγυλήν, ώστε Θεόφραστος Παρμενίδην, ώστε Ζήνων
Ησίοδον.
5 Nach Ivoh 3U ist häAläm nicht die Welt, sondern (falls der Text nicht
verderbt ist) die Ewigkeit; ebenso I Hen 14 (12s 2214 253. 7 273), vgl. 1. Tim 117.
In Sir 1318167 ist '’öläm falscher Zusatz (vgl. Smend zu den Stellen).
6 Das Wort „Welt“ hat im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen
noch die ältere Bedeutung „Zeitalter“ (Frdr. Kluge, Etymologisches Wörter-
buch der deutschen Sprache, 11. Auf!., 1934).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften