Metadaten

Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0014
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. ERDKENNTNIS

Dies mythische Weltbild ist für den Israeliten des Altertums
der Rahmen der Oikumene, der von den Menschen bewohnten Erde;
wo diese endet, beginnt die Welt des Mythos. Dies mythische Welt-
bild ist bis in jüngste Zeiten hinunter nicht angezweifelt worden.
Der Umkreis von Ländern und Völkern, welche das Israel der
alten Zeit kennt, beschränkt sich auf die nächste Nachbarschaft sei-
nes kleinen Landes. Danach bemißt sich seine Vorstellung vom Um-
fang der Erde, der nirgends weit über das Gebiet Syriens und seiner
nächsten Grenzländer hinausreicht. Bezeichnend hieifür sind die
Namen, mit denen der Hebräer die vier Himmelsrichtungen be-
nennt. Den Norden nennt er ,, Säfön “nach dem Namen des syrischen
Berges, der uns neuerdings durch die Texte von Räs Schamrä be-
kannt geworden ist. Der Süden heißt ,,Negeb“, das bedeutet das
,,ausgetrocknete“ Land1, und ist geographische Bezeichnung der
breiten Senke im Süden des judäischen Gebirges. Die westliche
Richtung wird nach dem „Meer“ genannt, welches die Küste des
Landes bespült, und der Osten heißt „Qedem“, was etymologisch
„vorn“ bedeutet und geographisch als Bezeichnung des syrisch-
arabischen Wüstengebietes gebraucht wird2. Dieser Name weist zu-
gleich auf eine zweite Art der Benennung: man „orientiert“ sich
nach dem Aufgang der Sonne, sodaß die Ostrichtung „vorn“3, die
1 Die Wurzel ngb bedeutet im Neuhebräischen und Aramäischen (Syri-
schen) „vertrocknen, eintrocknen“.
2 In derum 17 80(v. Chr. verfaßten Erzählung des Sinuhe(Breasted, Ancient
Records of Egypt, I 493, S. 238) gelangt der Held der Geschichte von Byblos aus
(vgl. dazu Ed. Meyer, Gesell, d. Altert. I 23, S. 284) zu den Beduinen des „Ost-
landes“ (Qedem), d. h. in die Wüstengegend östlich von Damaskus. Naph
Gen 29! (J) wohnen die aramäischen Verwandten Abrahams im „Lande der
Söhne von Qedem“; nach Gen 256 werden die Söhne Qetüräs in „das Land
von Qedem“ entlassen. In Jud 63. 33 712 (810) werden die „Söhne von Qedem“
neben den Midianitern und 'Amaleqitern genannt, sind also Bewohner der Wü-
ste im Osten Palästinas; ebenso Jes 1114. Nach Hes 254. '10 wohnen sie östlich
von 'Ammön und Mö’äb; in Jer 4928 stehen sie neben Qedär. lob, der Mann im
Lande MJs, wird lob 13 zu den „Söhnen von Qedem“ gerechnet. Die „Berge von
Qedem,“ gehören Num 237 zu Aram. Das Gebiet der Söhne Joqtäns reicht Gen
1030 bis zum „Berge von Qedem“. Nach all diesen Stellen ist klar, daß Qedem
nicht der Name eines einzelnen Stammgebietes, sondern allgemeine Bezeich-
nung der syrisch-arabischen Wüste ist.
3 Statt miqqedem sagt man auch dl-pene „angesichts“ (vgl. assyr. ana
pän samas). Daneben sind besonders in jüngeren Texten die Ausdrücke „gegen
Sonnenaufgang“ und „gegen Sonnenuntergang“ beliebt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften