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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0057
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VI. DIE KARTE DES JUBILÄENRUCHES

Die Kapitel 8—9 des Jubiläenbuches geben eine geographi-
sche Interpretation der biblischen Völkertafel1. Die geographischen
Vorstellungen des in Palästina lebenden Verfassers stehen den
gleichzeitig in der griechisch-römischen Welt herrschenden An-
schauungen über Gestalt und Länder der Erde in vieler Hinsicht
sehr nahe und zeigen, daß auch die palästinischen Gelehrten von
griechischen Einflüssen nicht unberührt gewesen sind. Diese Erd-
vorstellung ist freilich nicht mehr die der großen griechischen Mathe-
matiker und Astronomen, welche seit Pythagoras und Parmenides
die Kugelgestalt der Erde lehrten; diese Lehre, von den Historikern
oft angegriffen und von den Praktikern ignoriert, war schon unter
dem Einfluß Epikurs und der Skepsis vielfach in Verfall geraten.
Seefahrer und Reisende benutzten die alten ionischen Karten ohne
Bedenken weiter, und seit Ausgang der hellenistischen Zeit sehen
wir, wie auch bei den Schriftstellern die alte ionische Erdvorstellung
wieder auflebt. Bei den Römern der frühen Kaiserzeit ist sie wieder
weitverbreitet und bei den christlichen Kirchenvätern ist sie die
herrschende Lehre. Es nimmt nicht Wunder, daß auch ein jüdischer
Gelehrter um 100 v. Ghr. ganz in den einstigen ionischen Vorstel-
lungen lebt; die Erdkarte, die er zeichnet, ist bis auf allerlei einge-
fügte jüngere Namen den alten ionischen Karten recht ähnlich.
Die Erde ist noch immer, wie seit alters, als kreisrunde Scheibe
gedacht. Ganz wie auf den ältesten griechischen Karten Griechen-
land als Mittelpunkt der Erde und Delphi als Mittelpunkt Griechen-
lands und als ,,Nabel der Erde“ gezeichnet war2, ebenso ist für den
Kartographen unseres Buches der Berg Zion der Mittelpunkt, der
,,Nabel“ der Erde (819). Diese Anschauung, zuerst Hes 3812 bezeugt,
ist im späteren Judentum weit verbreitet3.
1 Zur Erklärung findet sich wesentliches Material bei Dillmann und
Charles. Verfehlt sind: Dahse, Ein zweites Goldland Salomos (Zeitschrift für
Ethnologie XLIII, 1911, S. 1—79); P. Borchardt, Das Erdbild der Juden
nach dem Buche der Jubiläen, — ein Handelsstraßenproblem (Petermann’s
Mitteilungen 71, 1925, S. 244—250).
2 Agathem., geogr. inf. I 2 (Geogr. Gr. minores II, S. 471): Οΐ μέν παλαιοί
την οικουμένην έγραφον στρογγυλήν, μέσην 8έ κεΐσ-Ο-αι την Ελλάδα και τα' της Δελ-
φούς· τον δμφαλον γάρ έχειν της γης. Vgl. auch Strabo IX, 419 (dazu H. Berger,
a.a.O., S. 110f.).
3 I. Hen 26x. Singer (Das Buch der Jubiläen 1889) zitiert noch b. Sanh.
37a, b. Joma 54b und Pesikta rabba X in Tanch. zu Lev 1923: „Das ganze Land
 
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