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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0028
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Friedrich Panzer

gefertigt. Ihm den königlichen Brief an den Papst in seinem Wort-
laut einzufügen, schien unzweckmäßig: er war zu lang und behan-
delte manches ausführlicher, das die Römer wenig anging; so stellte
der Mainzer Diktator dafür eine auszügliche Bearbeitung her mit
Einstellung auf die Römer, die man gegen den Papst aufrufen mußte.
Wie geschickt das geschah, möge man bei Hampe im einzelnen nach-
lesen. Es kann kein Zweifel sein, daß beide Briefe gleichzeitig von
Worms ausgingen.
Uns fesselt hier nur die Tatsache als solche: ein königlicher Brief
in einem amtlichen Aktenstücke anscheinend wörtlich zitiert; das
Zitat stimmt im allgemeinen mit dem Original überein, weicht im
Wortlaut und durch seine Zuspitzung nach bestimmter Richtung
hin aber sehr stark ab. Die Parallele zu dem, was ich vorher über
die literarischen Zitate ausführte, springt in die Augen. Man hätte
den Originalbrief ja auch in indirekter Rede wiedergehen können,
aber das, sagt völlig in unserem Sinne K. Hampe (S. 323), war
„weniger wirksam, mußte stilistische Schwierigkeiten bereiten und
lag überhaupt der naiven Art der damaligen Menschen nicht. Da-
gegen war man aus den Chroniken her ganz daran gewöhnt, etwa
eine längere Rede mit starker Verkürzung, aber trotzdem in direkter
Redeform wiedergegeben zu sehen und erblickte darin, wenn nur
die Hauptansicht des Redners einigermaßen zum Ausdruck ge-
bracht war, ebensowenig eine Verfälschung, wie unsere Reichstags-
abgeordneten in der verkürzten direkten Wiedergabe ihrer Reden
in unseren Zeitungen.“
Freilich war es von Fällen wie den hier behandelten nur ein sehr
kleiner Schritt zur Urkundenfälschung, wie sie im Mittelalter
massenhaft vorgekommen ist. Tätig war auf diesem Felde aus nahe-
liegenden Gründen besonders die hohe Geistlichkeit, die damit
weltliche Instanzen, mehr noch sich untereinander und die Kurie
zu betrügen gewillt war. Den Germanisten ist besonders jene Kette
von Fälschungen bekannt, durch die Ende des 10. Jahrhunderts
Bischof Pilgrim von Passau sich das Pallium und die Ausdehnung
seiner Missionstätigkeit und seiner Diözese weit über den Wiener
Wald hinweg über Mähren und Ungarn zu verschaffen suchte. Auch
der Gönner Walthers von der Vogelweide und des Nibelungendich-
ters, Bischof Wolfger von Passau, hat nicht verschmäht, sich ge-
legentlich einen Besitztitel durch eine gefälschte Urkunde zu sichern.
Wir wundern uns heute höchlich, daß solches möglich war, ohne
daß die Fälscher allgemeiner Entrüstung begegneten. Wirklich
 
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