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Hans Frhr. v. Campenhausen
Paulus hat nicht nur Petrus, sondern auch Jakobus persönlich ge-
kannt und noch im Anfang seiner Laufhahn in Jerusalem aufge-
sucht5. Zu den Aposteln zählte er selbst. Es ist auch bei größter
Skepsis, die ein „rein historisches“ Interesse der Beteiligten mit
Recht außer Betracht läßt, nahezu undenkbar, daß die grundlegen-
den Geschehnisse, die die maßgebenden Persönlichkeiten seihst er-
fahren hatten und auf die sie sich in ihrer Predigt bezogen, zwischen
ihnen dennoch nie zur Sprache gekommen sein sollten. Paulus
war also über das, was er weitergibt, zugleich auch unmittelbar aus
erster Hand orientiert. Dazu kommt, daß Paulus, der kein Wirr-
kopf war6, auf die Zuverlässigkeit dieser Nachrichten erklärter-
maßen Gewicht legt, daß er sie nicht bloß im Vorübergehen oder
im Blick auf ganz andere Fragen nebenbei erwähnt, sondern daß er
sie mit feierlicher Betonung als völlig gesichert und unbezweifelbar
herausstellt und nachdrücklichst unterstreicht. Es handelt sich
schließlich auch nicht etwa um irgendwelche komplizierte Dinge,
keine theologischen Deutungen und ausgeführten Texte, bei denen
sich immer noch kleine Verschiebungen und Nuancierungen un-
willkürlich ergeben könnten7, sondern um ganz einfache, wichtige,
bestimmte und bekannte Fakten8. Wer ihre Zuverlässigkeit trotz-
dem bezweifeln will, der muß füglich alles bezweifeln, was im
Neuen Testament überliefert ist — und mehr als dies!
Daß die von Paulus gebotene Aufzählung chronologisch ge-
meint ist, hätte man niemals bezweifeln sollen9. Ihr Ausgangspunkt
5 Gal. 1, 18 f.
6 Sein Interesse an genauen Daten erkennt man auch II. Kor. 11 und Gal. lf.
7 Solche Bedenken würden z. B. für die im übrigen vergleichbare Abendmahls-
überlieferung bei Paulus I. Kor. 11, 23 ff. in Betracht kommen, die zudem noch unter
dem Einfluß der kultischen Übung steht.
8 Es erscheint mir darum auch äußerst unwahrscheinlich, daß die Visionen des
Jakobus und der Apostel mit denen des Petrus und der Zwölf ursprünglich rivali-
siert hätten, daß die verschiedenen Anhängerkreise die Erlebnisse ihres Führers
also jeweils für die ersten und grundlegenden ausgegeben hätten und die verschie-
denen Berichte erst „später“ (?) in eine Reihe gerückt worden wären, so, wie sie bei
Paulus erscheinen. Die formelle Parallelität der Glieder, auf die IdARNACK S. 66 f.
hinweist, kann das allein noch nicht begründen. Später ist Jakobus in streng juden-
christlichen Kreisen allerdings als Hauptzeuge und -autorität an den Anfang ge-
rückt worden, wie das Hebräerevangelium zeigt (Hieron. vir. ill. 2); aber daraus
sind keine Rückschlüsse auf die ersten Jahre erlaubt; vgl. EI.-J. Schoeps, Theolo-
gie und Geschichte des Judenchristentums (1949) 122ff.
9 Der chronologische Sinn des sukzessiven είτα-έπειτα-έπειτα-εΐτα wird durch
das abschließende έσχατον (15, 8) und vielleicht auch noch durch das έκτρωμα (u.
Anm. 45) hinlänglich betont. Was Michaelis, Erscheinungen S. 23 ff. gegen die
Hans Frhr. v. Campenhausen
Paulus hat nicht nur Petrus, sondern auch Jakobus persönlich ge-
kannt und noch im Anfang seiner Laufhahn in Jerusalem aufge-
sucht5. Zu den Aposteln zählte er selbst. Es ist auch bei größter
Skepsis, die ein „rein historisches“ Interesse der Beteiligten mit
Recht außer Betracht läßt, nahezu undenkbar, daß die grundlegen-
den Geschehnisse, die die maßgebenden Persönlichkeiten seihst er-
fahren hatten und auf die sie sich in ihrer Predigt bezogen, zwischen
ihnen dennoch nie zur Sprache gekommen sein sollten. Paulus
war also über das, was er weitergibt, zugleich auch unmittelbar aus
erster Hand orientiert. Dazu kommt, daß Paulus, der kein Wirr-
kopf war6, auf die Zuverlässigkeit dieser Nachrichten erklärter-
maßen Gewicht legt, daß er sie nicht bloß im Vorübergehen oder
im Blick auf ganz andere Fragen nebenbei erwähnt, sondern daß er
sie mit feierlicher Betonung als völlig gesichert und unbezweifelbar
herausstellt und nachdrücklichst unterstreicht. Es handelt sich
schließlich auch nicht etwa um irgendwelche komplizierte Dinge,
keine theologischen Deutungen und ausgeführten Texte, bei denen
sich immer noch kleine Verschiebungen und Nuancierungen un-
willkürlich ergeben könnten7, sondern um ganz einfache, wichtige,
bestimmte und bekannte Fakten8. Wer ihre Zuverlässigkeit trotz-
dem bezweifeln will, der muß füglich alles bezweifeln, was im
Neuen Testament überliefert ist — und mehr als dies!
Daß die von Paulus gebotene Aufzählung chronologisch ge-
meint ist, hätte man niemals bezweifeln sollen9. Ihr Ausgangspunkt
5 Gal. 1, 18 f.
6 Sein Interesse an genauen Daten erkennt man auch II. Kor. 11 und Gal. lf.
7 Solche Bedenken würden z. B. für die im übrigen vergleichbare Abendmahls-
überlieferung bei Paulus I. Kor. 11, 23 ff. in Betracht kommen, die zudem noch unter
dem Einfluß der kultischen Übung steht.
8 Es erscheint mir darum auch äußerst unwahrscheinlich, daß die Visionen des
Jakobus und der Apostel mit denen des Petrus und der Zwölf ursprünglich rivali-
siert hätten, daß die verschiedenen Anhängerkreise die Erlebnisse ihres Führers
also jeweils für die ersten und grundlegenden ausgegeben hätten und die verschie-
denen Berichte erst „später“ (?) in eine Reihe gerückt worden wären, so, wie sie bei
Paulus erscheinen. Die formelle Parallelität der Glieder, auf die IdARNACK S. 66 f.
hinweist, kann das allein noch nicht begründen. Später ist Jakobus in streng juden-
christlichen Kreisen allerdings als Hauptzeuge und -autorität an den Anfang ge-
rückt worden, wie das Hebräerevangelium zeigt (Hieron. vir. ill. 2); aber daraus
sind keine Rückschlüsse auf die ersten Jahre erlaubt; vgl. EI.-J. Schoeps, Theolo-
gie und Geschichte des Judenchristentums (1949) 122ff.
9 Der chronologische Sinn des sukzessiven είτα-έπειτα-έπειτα-εΐτα wird durch
das abschließende έσχατον (15, 8) und vielleicht auch noch durch das έκτρωμα (u.
Anm. 45) hinlänglich betont. Was Michaelis, Erscheinungen S. 23 ff. gegen die