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Hans Frhr. v. Campenhausen
Daß die Jünger ihre ersten Begegnungen mit dem Auferstande-
nen in Galiläa hatten, ist im Markusevangelium ausdrücklich an-
gekündigt14 und im Matthäusevangelium15, später auch noch im
Petrusevangelium16 geschildert. Einen Nachhall dieser Anschau-
ung enthält auch das Anhangskapitel des Johannesevangeliums,
das sonst jerusalemisch orientiert ist17. Von den älteren Evangelien
hat nur Lukas die galiläische Überlieferung getilgt und alle Oster-
ereignisse konsequent nach Jerusalem oder in dessen nächste Um-
gebung gezogen. Die theologischen Gründe, die für diese Lokali-
sierung maßgebend waren, sind hier nicht zu erörtern17a. Daß die
jerusalemische Tradition sekundär ist, dürfte sich schon durch das
Übergewicht der älteren Zeugen eindeutig ergeben. Ein letztes Ar-
gument liefert unser Paulustext. Die hier erwähnte Erscheinung
vor fünfhundert Brüdern (und Schwestern ?) läßt sich in Jerusa-
lem kaum unterbringen; sie weist also ebenfalls nach Galiläa. Auch
wenn die runde Zahl der „Fünfhundert“ übertrieben sein sollte, ist
die Versammlung für ein Privathaus zu groß18, und eine Synagoge
— wenn sie ausgereicht haben sollte19 — wird den Anhängern Jesu
in Jerusalem schwerlich zur Verfügung gestanden haben. Einen
Waldgottesdienst am Ölberg wird man ebenfalls nicht in Erwägung
ziehen wollen. Höchstens der Tempel käme noch in Betracht. Aber
ganz abgesehen von der inneren Unwahrscheinlichkeit einer der-
Erscheinung vor Petrus müßte in Jerusalem erfolgt sein; vgl. dagegen mit noch
nicht ganz ausreichender Begründung J. FlNEGAN, Die Überlieferung der Leidens-
und Auferstehungsgeschichte Jesu (1934) 103, Anm. 5.
14 Mk. 14, 28; 16, 7.
15 Mt. 28, 16.
16 Ev. Pt. 14, 60.
17 Joh. 21, 1; dazu R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (1941) 546:
„Der Redaktor wollte offenbar die Mk.-Mt.-Tradition von einer galiläischen Er-
scheinung des Auferstandenen mit der johanneischen Darstellung kombinieren.
Indem er nun diese Geschichte nachfügte, nachdem schon zwei Erscheinungen des
Auferstandenen erzählt worden waren (Joh. 20, 19—23; 24—29) mußte er die Tra-
dition, der er V. 1—13 entnahm, in diesem Punkte ausdrücklich korrigieren und be-
tonen, daß hier die dritte ‘Offenbarung’ des Auferstandenen erzählt ist.“
17a Hierzu H. Conzelmann, Die geographischen Vorstellungen im Lukasevan-
gelium (Diss. theol. Tübingen 1951, ungedruckt); auch: Studien zur Theologie des
Lukas (Habilitationsschrift 1952, ungedruckt).
18 Gegen J. Kreyenbühl (u. Anm. 27) S. 277.
19 In Jerusalem sind uns alte Synagogen nicht erhalten. Die Beispiele, die wir
aus Galliläa kennen, wären in den meisten Fällen zu klein; vgl. über diese H. KOHL-
C. Watzinger, Antike Synagogen in Galiläa (1916) und C. Watzinger, Denkmäler
Palästinas (1935) 107 ff.
Hans Frhr. v. Campenhausen
Daß die Jünger ihre ersten Begegnungen mit dem Auferstande-
nen in Galiläa hatten, ist im Markusevangelium ausdrücklich an-
gekündigt14 und im Matthäusevangelium15, später auch noch im
Petrusevangelium16 geschildert. Einen Nachhall dieser Anschau-
ung enthält auch das Anhangskapitel des Johannesevangeliums,
das sonst jerusalemisch orientiert ist17. Von den älteren Evangelien
hat nur Lukas die galiläische Überlieferung getilgt und alle Oster-
ereignisse konsequent nach Jerusalem oder in dessen nächste Um-
gebung gezogen. Die theologischen Gründe, die für diese Lokali-
sierung maßgebend waren, sind hier nicht zu erörtern17a. Daß die
jerusalemische Tradition sekundär ist, dürfte sich schon durch das
Übergewicht der älteren Zeugen eindeutig ergeben. Ein letztes Ar-
gument liefert unser Paulustext. Die hier erwähnte Erscheinung
vor fünfhundert Brüdern (und Schwestern ?) läßt sich in Jerusa-
lem kaum unterbringen; sie weist also ebenfalls nach Galiläa. Auch
wenn die runde Zahl der „Fünfhundert“ übertrieben sein sollte, ist
die Versammlung für ein Privathaus zu groß18, und eine Synagoge
— wenn sie ausgereicht haben sollte19 — wird den Anhängern Jesu
in Jerusalem schwerlich zur Verfügung gestanden haben. Einen
Waldgottesdienst am Ölberg wird man ebenfalls nicht in Erwägung
ziehen wollen. Höchstens der Tempel käme noch in Betracht. Aber
ganz abgesehen von der inneren Unwahrscheinlichkeit einer der-
Erscheinung vor Petrus müßte in Jerusalem erfolgt sein; vgl. dagegen mit noch
nicht ganz ausreichender Begründung J. FlNEGAN, Die Überlieferung der Leidens-
und Auferstehungsgeschichte Jesu (1934) 103, Anm. 5.
14 Mk. 14, 28; 16, 7.
15 Mt. 28, 16.
16 Ev. Pt. 14, 60.
17 Joh. 21, 1; dazu R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (1941) 546:
„Der Redaktor wollte offenbar die Mk.-Mt.-Tradition von einer galiläischen Er-
scheinung des Auferstandenen mit der johanneischen Darstellung kombinieren.
Indem er nun diese Geschichte nachfügte, nachdem schon zwei Erscheinungen des
Auferstandenen erzählt worden waren (Joh. 20, 19—23; 24—29) mußte er die Tra-
dition, der er V. 1—13 entnahm, in diesem Punkte ausdrücklich korrigieren und be-
tonen, daß hier die dritte ‘Offenbarung’ des Auferstandenen erzählt ist.“
17a Hierzu H. Conzelmann, Die geographischen Vorstellungen im Lukasevan-
gelium (Diss. theol. Tübingen 1951, ungedruckt); auch: Studien zur Theologie des
Lukas (Habilitationsschrift 1952, ungedruckt).
18 Gegen J. Kreyenbühl (u. Anm. 27) S. 277.
19 In Jerusalem sind uns alte Synagogen nicht erhalten. Die Beispiele, die wir
aus Galliläa kennen, wären in den meisten Fällen zu klein; vgl. über diese H. KOHL-
C. Watzinger, Antike Synagogen in Galiläa (1916) und C. Watzinger, Denkmäler
Palästinas (1935) 107 ff.