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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1952, 4. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1952

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https://doi.org/10.11588/diglit.42315#0016
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Hans Frhb. v. Campenhausen

und sie zu Trägern der ersten Auferstehungserfahrung zu machen:
Jakohus oder Levi, Maria Magdalena, Nikodemus oder auch die
Mutter Jesu kommen so auf den Platz, auf dem ursprünglich Pe-
trus gestanden hatte36. Doch sind diese Berichte ohne historischen
Wert und daher für uns jetzt ohne Interesse.
Die Erscheinung vor den Zwölfen, d. h. genau genommen: vor
den ühi’iggebliehenen elf Jüngern, die nach Paulus auf die Petrus-
erscheinung gefolgt ist, hat sich so gut wie überall in der Überliefe-
rung gehalten37. Das ist verständlich, wenn man die Bedeutung
bedenkt, die „die Apostel“ in diesem Sinne für die spätere Kirche
gewonnen haben. Wenn die Petruserscheinung und die Erschei-
nung vor den Fünfhundert in Galiläa gespielt hat, so gilt dies na-
türlich auch für die Erscheinung vor den Zwölfen, die zwischen bei-
den in der Mitte steht. Möglicherweise darf man im Blick auf die
Abendmahlstradition und die mit ihr zusammenhängende Legende
von den Brotvermehrungen auch hier eine nähere Vermutung wa-
gen: die Erscheinung könnte anläßlich eines gemeinsamen Mahles
der Jünger stattgefunden haben oder hat vielleicht in einem Mahl
mit dem Auferstandenen gegipfelt. Die häufige Erwähnung des
Essens und Trinkens in den Ostergeschichten könnte in diese Rich-
tung weisen, auch wenn der Sinn dieses Vorgangs nicht mehr gleich-
mäßig verstanden und gedeutet wird38. Aber dies bleibt unsicher39,
und wir müssen uns mit der bloßen, bei Paulus bezeugten Tatsache
dieser Erscheinung begnügen. Paulus sagt auch nichts darüber,
wie ihr Zusammenhang mit der ersten Erscheinung vor Petrus ge-
schichtlich zu denken ist. Petrus ist auch bei der zweiten Erschei-
nung mit dabei; irgendein Zusammenhang muß also bestanden ha-
ben. Man könnte sich etwa denken, Petrus habe, durch sein Erleb-
nis zu voller Gewißheit gelangt, die anderen Jünger versammelt,
36 Vgl. W. Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlicben Apo-
kryphen (1909) 261 ff.
37 Das alte Markusevangelium scheint überhaupt keine Ostererscheinungen er-
zählt zu haben; aber die Erscheinung vor den Zwölf (und wahrscheinlich auch die
vor Petrus) ist nach Mk. 16, 7 als bekannt vorauszusetzen.
38 Lk. 24, 30f.; Joh. 21, 12ff.; Ev. Hb. nach Hieron. vir. ill. 2; Mk. 16, 14;
vgl. Act. 1, 4 (?); 10, 4L Unter unverkennbar antidoketisclier Tendenz steht der
Bericht von Lk. 24, 41 ff. Gegen die Überschätzung des Mahlmotivs bei Mk.
Barth, Das Abendmahl (1945) s. die im entgegengesetzten Sinne etwas einseitige
Kritik von W. MICHAELIS, Karfreitags- oder Ostercharakter des Abendmahls? in:
Das Wort sie sollen lassen stahn (Festschr. Alb. Schädelin, 1950) 57ff.
39 Vgl. über diese Frage Brun S. 72 ff. Übrigens kann das Mahl, wie Brun S. 66
bemerkt, sehr wohl im Freien stattgefunden haben.
 
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