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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1952, 4. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1952

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https://doi.org/10.11588/diglit.42315#0022
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Hans Fuhr. v. Campenhausen

einmal in Aktion treten62. Muß sie grundsätzlich anders beurteilt
werden als das, was Markus sonst an konkreten geschichtlichen An-
gaben zu überliefern weiß ? Dies ist die entscheidende Frage, auf
die es jetzt ankommt.
Die letzte Erzählung des Evangeliums hat insofern einen ande-
ren Charakter als das Bisherige, als in ihrem Mittelpunkt nicht nur
das leere und geöffnete Grab steht, sondern auch ein „Jüngling“,
d. h. ein Engel, der dieses Phänomen deutet und den Frauen den
Befehl gibt, Petrus und die Jünger darüber zu unterrichten. Jesus,
der Auferstandene, erklärt er, sei nicht mehr hier; er ist bereits un-
terwegs nach Galiläa63, wohin sie ihm folgen sollen. Dort werden
sie ihn dann selbst zu Gesicht bekommen. Das ist ohne Zweifel ein
legendarischer Zug, der die später folgenden Ereignisse in einer
wunderbaren Ankündigung vorwegnimmt. Auch der vorausgehende
Bericht über den Gang der Frauen zum Grabe ist nicht frei von
Seltsamkeiten. Der Wunsch, einen schon beigesetzten, in Leintücher
gewickelten Toten „am dritten Tage“ noch zu salben, ist,wie man
ihn auch deuten mag, durch keine uns geläufige Sitte gedeckt und
bei den klimatischen Verhältnissen Palästinas in sich selbst wider-
sinnig64; und daß die Frauen erst unterwegs auf den Gedanken kom-
men, sie hätten eigentlich Hilfe nötig, um den Stein abzuwälzen
und ins Grab zu gelangen, verrät ein mehr als erträgliches Maß von
Gedankenlosigkeit. An dieser Stelle haben die späteren Evangelisten
dementsprechend auch sämtlich geändert und mit Streichungen,
Umdeutungen oder weiteren, rationalen Erklärungen zu helfen ge-
sucht. Aber so unwahrscheinlich der Markusbericht hier auch sein
mag — irgendeine wunderhaft-phantastische Tendenz wird in sol-
chen Einzelzügen nicht erkennbar. Sie dürften vielmehr als bloße,
naive Hilfsmittel einer etwas primitiven Erzählungskunst zu be-
werten sein: der Salbungswunsch dient dazu, den Gang zum Grabe
62Mk. 16, 1-8.
63 Die Wendung προάγει υμάς εις τήν Γαλιλαίαν könnte auch transitiv über-
setzt werden: Jesus treibt seine Jünger an, ihm nach Galiläa zu folgen. Allein
diese vom allgemeinen Sprachgebrauch her naheliegende Möglichkeit verbietet sich
im Blick auf Mk. 14, 28 und die bis zu einem gewissen Grade technische Verwendung
des Wortes innerhalb des N.T.s im Sinne der „Nachfolge“; vgl. K. L. Schmidt,
Kittels Theol. Wörterb. z. N.T. 1 (1933) 130.
64 Doch braucht man nicht mit Clemen S. 97; E. Lohmeyer, Markus S. 296,
darüber hinaus hier noch einen Widerspruch zur Salbungsgeschichte Mk. 14, 8 zu
entdecken. Daß die Frauen das frühere, weissagende Wort Jesu hätten kennen und
sich danach richten müssen, ist zu viel verlangt, und im übrigen geht es ja tatsäch-
lich in Erfüllung, und die Salbung wird nicht nochmals wiederholt.
 
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