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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1952, 4. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1952

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https://doi.org/10.11588/diglit.42315#0030
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Hans Fuhr. v. Campenhausen

Grabstätte Platz genommen haben98. Und endlich wird sie noch
ein drittes Mal vorgebracht, als Jesus selber schon vor ihr steht,
den sie jedoch für den Gärtner hält, der, wie sie meint, am ehesten
den Leib entfernt haben kann: „Herr, wenn du ihn fortgeschafft
hast, so sag mir, wo du ihn hingetan hast — ich will ihn holen!“99.
Es ist erstaunlich, wie wenig man die offenkundige aktuelle Be-
ziehung, die hier vorliegt, beachtet hat. Die Geschichte ist so, wie
sie Johannes bietet, die unmittelbare Antwort auf jüdische Ankla-
gen und die dadurch geweckten Zweifel. Insbesondere die Gestalt
des Gärtners und der Verdacht, er könnte den Leib Jesu beiseite-
geschafft haben, stammt von hier. Der Gärtner ist eine durch die
Überlieferung vorgegebene Figur, und die Frage, woran ihn Maria
Magdalena als solchen erkannt habe, ist darum fehl am Platz. Die
spätere jüdische Polemik kennt verschiedene Berichte darüber, wie
der Leichnam Jesu in Wirklichkeit abhanden gekommen sei. Aber
die weitaus häufigste Form ist die, daß „Juda der Gärtner“ als
redlicher Mann den drohenden Schwindel vorausgesehen und darum
den Leichnam beiseitegebracht habe. Als die Jünger dann mit
ihrem Auferstehungsmärchen herausrückten und die Juden bereits
in die größte Verlegenheit kamen, war er es, der den verschwunde-
nen Leib wieder zur Stelle schaffen konnte. Dieser wird dann öf-
fentlich durch die Straßen Jerusalems geschleift, und die christli-
che Lüge wird jedermann offenbar100. Auf die wechselnden Einzel-
heiten, mit denen dies alles erzählt wird, kommt es jetzt nicht an.
Die Berichte sind in den uns erhaltenen mittelalterlichen und neu-
zeitlichen Fassungen spät und z. T. ganz phantastisch ausgestaltet.
Aber der Kern ist alt, und so, in ganz einfacher Gestalt ist uns die
Geschichte vom Gärtner, der den Leichnam entfernt hat, schon
durch Tertullian bezeugt. Am Schluß seiner Abhandlung über die
Schauspiele entwirft dieser mit glühenden Farben ein Bild des
größten Schauspiels, das die Christen einmal genießen werden, des
jüngsten Gerichts. Dann wird Christus als Rächer gegen all seine
Verächter auftreten, und mit triumphierendem Hohn wendet sich
Tertullian jetzt besonders an die, welche einst „gegen den Herrn
98 Joh. 20, 13. Die redaktionellen Probleme dieses Kapitels brauchen wir nicht
zu erörtern.
99 Joh. 20, 15.
100 S. Krauss, Das Leben Jesu nach jüdischen Quellen (1902), besonders S.
1701F.; vgl. S. 59. 107ff. 126f.
 
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